Keine Höhenrekorde, keine Abenteuerstimmung: Besonders herausstechend war sie nicht, unsere Wanderung am Comer See. Doch eines müssen wir der Wanderung zum Monte Resegone auf 1.875 Metern lassen: Eine spektakuläre Aussicht hatte sie allemal parat. Und für uns auch ein Rennen gegen die Zeit. Geschrieben von John & Marc.
Von Lecco zum Monte Resegone
Eine Reise am Rande der Alpen ohne zu wandern? Is nich. Auch wenn der Comer See noch nicht so richtig in den Alpen liegt. Auch wenn wir heute Abend zurück nach Berlin fliegen. Heute Abend! Und so ist unsere Wanderung am Comer See für uns mehr Appetithappen auf unsere bevorstehende ↠ Kaukasus-Reise. Mehr Mittel zum Zweck. Mehr Wandern aus Prinzip.
Es dauert eine Weile, bis wir in Lecco in den Bus der Linie fünf steigen, der uns zur Seilbahnstation unterhalb des ↠ Piani d’Erna bringen soll. Am Bahnhof fährt er uns vor der Nase weg, in der Stadt legt die Streckenführung einen undurchschaubaren Zickzackkurs hin. Passt nicht wirklich in unser Timing. Slow Travel? Is heute auch nich. Der Flug! Doch den nächsten Bus bekommen wir: Von der Piazza Manzoni in der Altstadt geht es zunächst in die höhergelegenen Viertel von Lecco und später auf Serpentinen zur Seilbahn, zur Funivia am Fuße des Monte Resegone.
Monte Resegone: Zwischenstopp Piani d’Erna
Für einen Sonntag im Juli geht es am Fuße der Seilbahn gemütlich zu. Nach dem Vortag haben wir hier mehr Reisende erwartet. Kommen vielleicht noch. Oder sie wandern die komplette Strecke von Lecco zum Monte Resegone zu Fuß. Eine der Strecken, um genau zu sein, denn viele Wege im Umland des Lago di Como führen zum Gipfel.
Am Piani d’Erna angekommen, Start- und Zielpunkt unserer Wanderung am Comer See, haben wir die ersten 1.000 Höhenmeter dank Seilbahn schon hinter uns. Auch vom Plateau aus starten mehrere Wanderrouten. Im Winter gibt es Skipisten und das ganze Jahr über deftige Alpenküche. Viele belassen es bei Letzterem. Verübeln können wir es ihnen nicht: Die Seilbahnfahrt alleine offenbart einen Ausblick, der einen Moment lang sprachlos macht. Wir aber wandern jetzt erst los. Auf dem anvisierten Rundweg, der zum Monte Resegone führt und auf anderer Strecke zurück, gilt es je 600 Höhenmeter zu überwinden und wieder zu verlieren.
Tipp: Eine ungefähre Routenbeschreibung der Wanderung zum Monte Resegone findest du hier, wenn auch in umgekehrter Richtung.
Monte Resegone: Der Wanderweg zum Gipfel
Knappe drei Stunden legen wir vom Piani d’Erna zum Gipfel des Monte Resegone zurück. Wir planen mit zwei weiteren für den Rückweg und einem Puffer von etwa vier Stunden bis vom Abflug von Bergamo nach Berlin. Wenn das mal alles klappt. Vielleicht sehen wir unsere Maschine ja im Abendlicht gen Himmel steigen, während wir noch über dem Comer See wandern oder in der Seilbahn zurück nach Lecco stecken.
Der Aufstieg in nordöstlicher, später in südlicher Richtung, geizt mit zunächst Panoramen. Zwei Stunden lang geht es überwiegend durch dichten Wald. Wir passieren ein Geröllfeld, wandern weiter durch dichten Wald und erhaschen nur ab und zu eine Aussicht auf die umliegenden Berge. Der Lago di Como bleibt bis zum Monte Resegone versteckt. Erst das letzte, steilste Stück führt durch lichtes Gelände. Genießen können wir die Wanderung am Comer See trotzdem. Trotz Hochsommer sind wir nie außer Atem und erfreuen uns an der Natur, die wir heute nur mit wenigen anderen teilen müssen.
Wandern am Comer See: Finale mezzo grande
Mit der Einsamkeit hat es am Gipfel allerdings ein Ende. Der Monte Resegone ist schließlich Ziel etwa eines Dutzends Wanderwegen. Überall werden Selfies geknipst, eigentümliche Posen eingenommen. Der Rauch diverser Gipfelzigaretten verschwindet im Wind. Wiederum andere reichen sich belegte Brote, Bananen und Äpfel zur Rast. Hier und da wird eine lauwarme Flasche Bier getrunken, die manchem direkt in den Kopf steigt. Ein paar weitere Wanderer:innen halten in der ↠ Rifugio Azzoni Einkehr und belohnen sich mit einer bodenständigen Spezialität der regionalen Küche.
Nein, so richtig will der Funke hier nicht überspringen. Beim Wandern mögen wir keinen Trubel, meistens reden nicht mal wir selbst miteinander. Wir wollen die Natur genießen, die Stille, die Abgeschiedenheit. Nicht der Gipfel des Monte Resegone ist daher der Höhepunkt dieser Wanderung am Comer See, sondern der Abstieg zurück zum Piani d’Erna. Plötzlich blicken wir alleine ins Tal hinab. Zu unseren Füßen Lecco, der rechte Arm des Lago di Como sowie die kleineren Seen Lago di Garlate und Lago di Annone. Die Aussicht hier ist fast die gleiche wie in der Seilbahn. Und doch ganz anders: Hier stehen wir mit den Füßen auf dem Boden, dem Berg ganz nah. Innehalten. Staunen. Genießen.
Und unseren Flug? Den schaffen wir. Natürlich. Aber auch nur dank eines Sprints zurück zum Piani d’Erna.
Unser 1 THING TO DO am Comer See fanden wir übrigens nicht beim Wandern zum Monte Resegone, sondern etwa 1.500 Meter tiefer am Westufer des drittgrößten See Italiens. Welcher Moment der Reise nach Norditalien uns ganz besonders in Erinnerung blieb, liest du in unserem ↠ Reisebericht vom Comer See. Unsere wirklichen Abenteuer in luftiger Höhe findest du in unseren ↠ Wanderberichten, darunter Naturerlebnisse in der Hohen Tatra, Georgien oder Rumänien.
Reisen um zu reisen!
John & Marc