Sabbatical Erfahrungen

Sabbatical: Wieso die Auszeit kein Allheilmittel ist

Viele Sabbatical-Erfahrungen im Netz lassen an einen Zaubertrank denken, der dich mit frischer Kraft und neuer Motivation in den Beruf zurückkehren lässt. Kein Wunder, dass so viele von einem Sabbatical träumen. Ich habe es ganz besonders getan, doch in meinem Falle hielten die Erwartungen an das Sabbatical dem Realitätscheck nicht Stand. Geschrieben von Marc.

Sabbatical: Das Wort mit dem S

Ich war unzufrieden. Nicht zum ersten Mal. Also saß ich mit meinem Chef zusammen zum Lunch in Berlin-Mitte, um darüber zu sprechen, was mich in der Agentur halten könnte. Eine Vier-Tage-Woche, um mich besser um mein(e) Nebengewerbe kümmern zu können, hatte ich schon vor längerer Zeit mit ihm vereinbart und umgesetzt. Mehr Gehalt macht noch keine Zufriedenheit. Also sprach ich es aus, das S-Wort: “Sabbatical.”

Wohl alle, die sich in seinem Job nicht verwirklicht sehen – vielleicht ist das schon der erste Trugschluß –, träumt einmal davon. Wie oft hatte ich auf diversen Reiseblogs von Sabbaticals gelesen, von Weltreisen, die klingen wie eine Verjüngungskur für den Geist? Wie ein Zaubertrank, mit dem ich nach Monaten des Weltenbummelns motiviert wie nie auf Arbeit zurückkehren würde? Ein Sabbatical, das müsste die Lösung sein. Es würde mir den Job wieder schmackhaft machen.

Sabbatical Erfahrungen
Für welchen Weg würdest du dich entscheiden?

Will ich überhaupt ein Sabbatical?

Mein Chef versprach mir, mich bei meinem Wunsch zu unterstützen. Irgendwann waren auch seine Partner:innen und meine Teamleitung mit an Bord. Der kleine Traum vom kurzen Freisein sollte wahr werden. Doch urplötzlich bekam ich Muffensausen: “Möchte ich überhaupt ein Sabbatical?”

Es war schon kurios: Solange das S-Wort für mich nur ein S-Wort war, klang es für mich wie der heilige Gral. Als es begann Realität zu werden, kam ich jedoch ins Grübeln. Ich müsste die Reise alleine antreten, denn John würde parallel nicht auch ein Sabbatical genehmigt bekommen. Bin ich dafür gemacht? Wie ist es, alleine unter Fremden in einem Restaurant zu sitzen? Will ich den Sommer nicht doch lieber in Berlin verbringen, wo der letzte Sommer doch kein Sommer war? Und ach ja, zur Fusion wäre ich eigentlich lieber in Berlin, an dem Wochenende bei meinen Eltern, und im Oktober ist doch Jahrestag. Verflixt!

Her mit dem Sabbatical!

Im Vergleich zu den Problemen, die in Vorbereitung des Sabbaticals noch auf mich zukommen würden, waren diese Fragen jedoch nur Lappalien. Ich war bis dato noch nie länger als drei Wochen auf Reisen. Vor meinem 30. Geburtstag, so dachte ich mir schon als Abiturient, möchte ich mal wirklich auf Reisen gehen. “Also hab dich nicht so, Marc, und ergreife die Gelegenheit bei Schopfe. Du bist 29 und wirst nicht jünger”, sagte ich mir bald.

Über Monate sammelte ich mir die notwendigen Tage für das Sabbatical an, indem ich statt vier Tagen jeweils fünf Tage auf Arbeit kam. Circa drei Monate sollte die kleine Auszeit dauern. Nicht viel, doch ich spürte, dass ich es nicht länger aushalten würde. Anderthalb Jahre warten für ein Jahr Pause? Zu viel. Ich fühlte mich ja schon ausgelaugt. Nach unserer ↠ Kaukasus-Reise dauerte es nicht mal eine Stunde, bis der Erholungseffekt verloren gegangen war. Also schnell her mit dem Zaubertrank!

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Ein wichtiger Punkt meiner Sabbatical-Erfahrungen: Der Weg in Richtung “Freiheit” kann manchmal komplizierter sein als gedacht.

Die Sache mit dem Stress

Je näher der anvisierte erste Tag des Sabbaticals rückte, desto ausgelaugter fühlte ich mich. Einmal machte ich knapp 50 Überstunden in zwei Wochen. Den Stress nahm ich mit ins Bett, konnte immer häufiger nicht schlafen. Das führte soweit, dass ich einmal kurz nach Mitternacht den Entschluss traf, zurück in die Agentur zu fahren, weil ich sowieso nicht würde schlafen können. Und zu tun war ohnehin mehr als genug. Einen Blogartikel für 1 THING TO DO schreiben? Undenkbar.

Ich betrachte mich als stressresistent. Doch als mein Körper mir Signale sendete, die ich nicht länger ignorieren konnte, musste ich einsehen, dass die Entscheidung für das Sabbatical eben kein Allheilmittel war. Ich zog die Notbremse, suchte abermals das Gespräch mit meinem Chef. Ich wollte “die Agentur verlassen”, wie man so schön sagt.

Das Sabbatical als Scheinlösung

Wie konnte es dazu kommen? Damals hätte ich diese Frage nicht beantworten können, heute bin ich schlauer. Ein bisschen zumindest. Sabbaticals gelten als Motivationsschub für Arbeitnehmer:innen, als Zaubertrank eben. Das Hauptproblem in meiner Situation: Ich war niemals nicht motiviert. Im Gegenteil: Vielleicht war ich sogar zu motiviert, es anderen und vor allem mir selbst zu zeigen. Vermutlich liegt der Schlüssel eher darin, genau diese Einstellung zu hinterfragen.

Bis zu meiner Kündigung kämpfte ich gemeinsam mit meinem Team Schlacht um Schlacht, und wollte doch bereits anfangen die Tage zu zählen, bis ich endlich den Zaubertrank trinken würde. Einzig, es waren noch so viele Tage zu absolvieren, so viele Schlachten zu schlagen, dass ich sie noch gar nicht wirklich zählen konnte. Das S-Wort hatte mir die Gelegenheit genommen, zum richtigen Zeitpunkt Stopp zu sagen.

Sabbatical Erfahrungen
In meinem Falle hielt der Weg zum Sabbatical das eine oder andere Hindernis parat.

Ich bin dann mal weg

Oder mit anderen Worten: Ein Sabbatical ist kein Allheilmittel. Ich wage die Prognose, dass eine Auszeit in (relativ) ferner Zukunft keine alten, neuen Kräfte hervorzaubern wird, wenn du mit deinem Job, der immerhin den Großteil deines Lebens ausmacht, ohnehin am Hadern bist – oder das Problem tiefer liegt. Mal ganz davon abgesehen, dass es zur Planung eben auch dazu gehört, Verantwortung für deine Kolleg:innen zu übernehmen und deine Auszeit so zu gestalten, dass du das Hamsterrad der anderen nicht schneller drehen lässt. Das Thema würde aber einen zweiten Artikel lohnen, der weit über meine Sabbatical-Erfahrungen hinaus geht.

Doch kann ich aber überhaupt über Sabbaticals urteilen, wenn ich selbst gar keins erlebt habe? Wohl kaum. Aktuell aber stecke ich mitten drin in meiner Auszeit. Denn als ich den Entschluss traf, die Agentur zu verlassen, durfte ich anschließend weiter Tage für mein “Zeitkonto” sammeln, um mich in einen entspannten Sommer verabschieden zu können.

Zurück zum eigenen Ich

Noch vor Ende der Auszeit mag es vielleicht zu früh sein für ein Resümee, doch nach zehn Wochen des Reisen spüre ich, dass ein Sabbatical unter Umständen natürlich ein Zaubertrank sein kann. Insbesondere in Russland, wo ich vier Wochen lang von Moskau aus gen Osten reiste, hatte ich das Gefühl, mit jedem Tag etwas mehr vom “Schlechten” abzuschütteln. Ich fühlte mich wieder näher bei mir selbst und erlangte ein Selbstbewusstsein zurück, das sich – anders als zuletzt – nicht mehr nur aus meinem Arbeitsleben nährte.

Gleichzeitig lassen mich meine Sabbatical-Erfahrungen glauben, dass der Erholungseffekt nur halb so groß wäre, würde ich wissen, dass ich zu 100 Prozent nach der Auszeit in meinen Beruf zurückkehren würde – Stichwort Scheinlösung. Und nicht zuletzt beginne ich auch zu realisieren, dass für das “Schlechte” nicht nur der Arbeitsalltag verantwortlich war. Doch bei diesem Seelenstriptease möchte ich zumindest noch meine Unterwäsche anbehalten.

Zum Weiterlesen- und hören: Zum meinem Fazit passt auch das (Hör-)Buch ↠ Burnout kommt nicht nur von Stress von Mirriam Pries, das ich im Nachhinein lieber vor der Entscheidung zu meinem Sabbatical verschlungen hätte.

Sabbatical Erfahrungen
Während meiner Auszeit reiste ich unter anderem von Moskau bis zum Baikalsee, hier der ikonische Schamanenfelsen auf der Insel Olchon.

Hast du bereits eigene Sabbatical Erfahrungen gesammelt? Auch wenn jede Lebenssituation anders ist, bin ich der Meinung, dass es hilfreich ist, die Sabbatical-Lektüre im Netz zu reflektieren, um herauszufinden, welches Problem das erträumte Sabbatical eigentlich lösen soll. Denn heute weiß ich: Im besten Falle löst es gar keins. Eine Übersicht über die Reise bis zum Baikalsee findest du übrigens in meinem ↠ Russland-Reisebericht.

Reisen um zu reisen!
Marc

Sabbatical Erfahrungen

Veröffentlicht oder inhaltlich überarbeitet am:


9 Antworten zu “Sabbatical: Wieso die Auszeit kein Allheilmittel ist”

  1. Wieso soll es bei einem Sabbatical eigentlich darum gehen, auf irgendeine Art “leistungsfähiger” in den Job zurückzukehren.

    Wenn Sabbatical, dann weil ich das, was ich im Sabbatical tue, tun will und eben dafür ne längere Auszeit brauche. Nicht wieder nur mit Blick auf die berufliche Leistungsfähigkeit. Das halte ich schon mal für den völlig falschen Ansatz.

    Das ist wie wenn man bei einem Burnout die Reha nicht macht, damit es einem selbst besser geht, am besten langfristig, sondern damit man danach wieder die Energie zum reinpowern hat.

  2. Hallo Marc,

    Sabbatical in einer Agentur, da hast du dir ja auch gleich die Königsdisziplin ausgesucht 😉 Ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen. Ich hab 2012 meinen Agenturjob gekündigt um ein Jahr zu reisen. Das ist natürlich etwas anders als Sabbatical, aber vergleichbar. Nach meiner Rückkehr hab ich in einer anderen Agentur wieder angefangen – und mich mindestens 2x pro Woche gefragt was zum Teufel ich hier eigentlich mache. Voll motiviert wieder durchstarten kann man da glaube ich nicht. Jetzt, fünf Jahre nach der Auszeit, habe ich noch immer ein verkorkstes Verhältnis zu Urlaub und Urlaubstagen und würde auch mal in Frage stellen ob ein Sabbatical immer dazu führt dass man hochmotiviert in den Job zurückkehrt.

    Viele Grüße
    Imke

    • Danke für den Kommentar, liebe Imke! 😀

      In der Tat habe ich auch nie daran geglaubt, dass ein Sabbatical in einer Agentur möglich ist, vor allem nicht in so jungen Jahren. Aber nun ja, irgendwas muss die Agentur mir ja auch bedeutet haben, wenn ich länger als vier Jahre dort war – und solche Freiheiten gehörten eben dazu. Wahrscheinlich ist einfach etwas dran an der Aussage, dass man Arbeit einfach nicht als Arbeit empfinden sollte, um aus diesem Strudel zu entkommen. Jetzt fehlt nur noch der richtige Job dazu.

      Liebe Grüße! 🙂

  3. Hallo Marc,

    interessanter Artikel. Ich glaube auch, dass man sich des Problems, das man angehen möchte vorher im Klaren sein sollte und dann gucken, ob ein Sabbatical überhaupt zielführend ist. Aber ab und zu denke ich schon, dass es zur Lösung beitragen kann – je nach Problem.

    LG Hendrik

    • Das glaube ich auch, danke für den Kommentar! Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass man grundsätzlich mit seinem Beruf im Reinen ist und das Sabbatical dann eben neue Impulse bringen kann – einfach schon, weil man mal “raus” war und die Betriebsblindheit ein Stück weit ablegt. Sowohl was die Arbeit als auch was den eigenen Alltagstrott betrifft.

      Liebe Grüße zurück! 🙂

  4. Lieber Marc,

    welch wahre Worte! In der Tat glaube ich auch nicht, dass das Sabbatical die Lösung aller Probleme ist. Eher die Reißleine vor dem Burnout.
    Früher habe ich auch des öfteren darüber nachgedach, aber inzwischen habe ich für mich eine Lösung gefunden, die kein Sabbatical mehr nötig macht.
    Ich wünsche dir, dass du diesen Weg auch findest.

    Liebe Grüße
    Michaela

    • Danke dir, Michaela! 🙂

      Ich suche den Weg noch, aber ich stecke ja auch noch mittendrin in der Auszeit. Mal schauen, ob ich den Weg finde, wo ich das Herumirren doch manchmal ganz sympathisch finde. 😉

      Liebe Grüße!

  5. Hallo Marc,
    Ich hatte letztes Jahr auch für zwei Monate ein Sabbatical und bin in der Zeit mit meinem Freund von München nach Spanien geradelt. Für mich war das Sabbatical ein Weckruf, weil ich dadurch erst gemerkt habe, dass mir ganz andere Dinge im Leben wichtig sind, als jene, die ich in meinem Job zu finden glaubte. Ich denke, wenn man einfach mal länger weg reisen möchte, dann kann ein Sabbatical super sein. Der Einstieg danach ist nur mega schwer, vor allem wenn man eh schon mit der Frage konfrontiert ist, ob man denn überhaupt in diesem Job noch bleiben möchte.
    LG Silvia

    • Hallo Silvia,

      das klingt so aus der Ferne schon mal nach einer tollen Zeit auf dem Weg nach Spanien! Ich denke, ein Weckruf kann ein Sabbatical in jedem Falle sein. Wahrscheinlich wird nur bei jedem etwas anderes geweckt, was in Alltagstrott so vor sich hin schlummert. Noch ein Grund, warum Sabbaticals jedem zustehen sollten. 😉

      Liebe Grüße zurück!

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