Brüssel im Winter

Brüssel im Winter: Abseits von Waffeln und Fritten

Zu kalt, zu dunkel, zu kurz: Eine Städtereise nach Brüssel im Winter läuft Gefahr, zum Reinfall zu werden. Beinahe hätten wir uns von Eiswind und zu gut besuchten Sehenswürdigkeiten beirren lassen. Am Ende jedoch machten wir doch noch Bekanntschaft mit jenem Brüssel, das uns mit warmem Herzen nach Berlin zurückkehren ließ. Wenn auch über Umwege. Geschrieben von John & Marc.

Bright Brussels: Lichterspektakel im Winter

Eigentümliches tut sich auf der Place Sainte-Catherine, wo wir unsere erste abendliche Erkundungstour durchs winterliche Brüssel starten. Der Platz ist bekannt für seine exquisiten Fischrestaurants, früher fand auf dem lang gestreckten Areal der Brüsseler Fischmarkt statt. Dass hier jedoch leuchtende Fische umherfliegen würden, das hätten wir nicht unbedingt erwartet.

Der Zufall möchte, dass wir die belgische Hauptstadt zur Brüsseler Variante des Festival of Lights besuchen. Auf dem einstigen Fischmarkt haben sich die Macher von ↠ Bright Brussels offenkundig einen kleinen Scherz erlaubt. Wie ein leuchtendes Band ziehen sich von hier aus Installationen durch das winterliche Brüssel und machen so auf bekannte wie weniger bekannte Sehenswürdigkeiten aufmerksam. Im ↠ Kanal, einem Museum für zeitgenössische Kunst nördlich der Altstadt, zieht eine futuristische, auf der Spitze stehende Pyramide in ihren Bann. Auf der Grande Place wechselt ein kitschiges Miniatur-Atomium laufend seine Farbe. Die Eglise du Béguinage nahe der Place Sainte-Catherine verwandelt sich in verschiedene Kunstwerke.

Brüssel im Winter: Ein Risiko?

Im Vergleich zum Berliner Pendant, das jedes Jahr im Herbst stattfindet, versteht es das Brüsseler Festival of Lights, etwas mehr zu wagen. Dadurch, dass die beteiligten Sehenswürdigkeiten nicht weit voneinander entfernt liegen, kommt tatsächlich so etwas wie Festival-Stimmung auf. Das Prinzip beider Events ist dasselbe: Während die Tage kürzer, die Nächte kühler werden, der Alltag ruhiger und mitunter etwas trüber ist, animieren Lichter und Farben Einheimische wie Tourist:innen dazu, trotzdem durch die Straßen zu ziehen – und die Sehenswürdigkeiten Stadt der Wahl neu kennenzulernen.

Uns kommt das gerade recht: Trotz dieses eisigen Abends erleben wir Brüssel im Winter von seiner quirligen Seite. Zum Glück, denn so eine Städtereise im Winter ist immer etwas Risiko: Auch in Brüssel begleitet uns der Gedanke, dass die Stadt im Sommer viel lebendiger, viel schöner sein muss, wenn die Baumkronen grün, die Menschen fröhlicher sind und die Sonne erst spät am Abend ganz langsam gen Horizont sinkt. Im Winter ist jede Stunde Tageslicht umso mehr Gold wert. Das macht es uns schwer, uns einfach treiben zu lassen. Mit Folgen.

Brüssel im Winter Sehenswürdigkeiten
Abendstimmung in der Rue des Chartreux im äußersten Westen der Brüsseler Altstadt.
Brüssel im Winter Sehenswürdigkeiten
Brüssel eignet sich im Winter auch für eine Streetart-Tour, bei der du nicht nur in der Altstadt fündig wirst.

Sehenswürdigkeiten in Brüssel

Von der Grande Place zum Jubelpark

Am nächsten Tag tickt die Uhr. Tick-tack, tick-tack, tick-tack. Nach einem Frühstück in der ↠ Brasserie Le Paon an der Grand Place, vis à vis mit dem barocken Brüsseler Rathaus, spazieren wir fix durch die Altstadt, huschen durch die ↠ Galéries Royales Saint-Hubert. Ein Foto da, ein Foto hier. Wir sprinten weiter von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit, über den Mont des Arts zur Place Royale, vorbei am Palais de Bruxelles und schließlich zum Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission.

Zwischendurch der Jubelpark, in dessen Triumphbogen eine riesige belgische Flagge lautstark umherflattert. Es weht abermals ein eisiger Wind, der uns am liebsten noch schneller durch Brüssel hetzen lassen würde. Es ist Mittag. Die Hälfte des Tages schon wieder vorbei! Tick-tack, tick-tack, tick-tack.

Vom Jubelpark zurück in die Altstadt

Einen Moment lang setzen wir uns zum Aufwärmen in die nächste Brasserie, ↠ La Terrasse. Eine heiße Schokolade gibt uns Wärme für ein paar Minuten mit auf den Weg, bevor wir den Sehenswürdigkeiten-Sprint dann doch nach drinnen verlegen müssen. Am Europäischen Parlament gibt das ↠ Parlamentarium anschaulich Einblick in Geschichte und Bedeutung der Europäischen Union. Für uns als Europa- und Politikbegeisterte Pflichtprogramm, bevor wir am späten Nachmittag zurück in die Altstadt kehren.

Fritten. Waffeln. Die Mülleimer quellen über vor Servietten, Papptellern und -bechern. Doch vom Standardprogramm hatten wir heute schon genug und entscheiden uns stattdessen für ein ↠ rumänisches Restaurant nahe der Brüsseler Börse. Selten so satt gewesen.

Brüssel im Sauseschritt

Wir waren so schnell unterwegs, dass wir gut und gerne geblitzt hätten werden können. Was war das für ein Tag? Was gibt uns dieses Brüssel im Winter? So richtig zufrieden sind wir mit den zurückliegenden Stunden nicht. Wir haben viele Sehenswürdigkeiten in Brüssel gesehen, aus touristisch oberflächlicher Sicht fast schon “alles”, doch erlebt haben wir Brüssel nicht. Liegt es wirklich nur am Winter? Oder doch eher an uns selbst?

Offenkundig haben uns die wenigen und obendrein winterlich kalten Stunden Tageslicht unseres Fokus’ beraubt. Wir lassen uns nicht wie gewohnt treiben, klappern stattdessen Sehenswürdigkeit für Sehenswürdigkeit ab. Brüssel ist hierzu wie gemacht. Klar, in Windeseile gelangst du von Attraktion zu Attraktion. Richtig kennenlernen wirst du Brüssel auf diese Art und Weise aber nicht.

Brüssel im Winter Sehenswürdigkeiten
Französisch, Flämisch, Französisch: Die belgische Hauptstadtregion ist offiziell zweisprachig, in Brüssel selbst überwiegt inzwischen das Französische.
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Lichtreflexionen in einem zentralen Wohnquartier zwischen Altstadt und Europaviertel.

Winterspaziergang in Brüssels Nachbargemeinden

Ein Gutes jedoch hat unser Sprint durchs winterliche Brüssel: Am nächsten Tag können wir es gemütlicher angehen lassen. Selbst rund um Manekken Pis geht es gemächlicher zu zu, als wir uns am frühen Morgen doch noch eine belgische Waffel gönnen. Etwas überzuckert verlassen wir Brüssel anschließend in Richtung Westen: Auf der anderen Seite des Charleroi-Kanals wartet die nächste der insgesamt 19 Gemeinden, die neben der eher kleinen Stadt Brüssel die deutlich größere Region Brüssel bilden: Molenbeek-Saint-Jean.

Die knapp 100.000 Einwohner:innen zählende Gemeinde ist in den vergangenen Jahren als ein Zentrum des extremistischen Islamismus in Europa in Verruf gekommen. Für uns ist Molenbeek Zwischenstation nach Koekelberg, der kleinsten aller Gemeinden des Hauptstadtregion. Bekannt ist Koekelberg wiederum für die ↠ Nationalbasilika des Heiligen Herzens, eine der größten Kirchen der Welt. Weitere Sehenswürdigkeiten haben wir uns heute nicht vorgenommen. Zeit durchzuatmen.

Brüssel im Winter Sehenswürdigkeiten
In der Rue de la Cigogne herrscht urplötzlich kleinstädtisches Flair.
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Die Rue de la Cigogne liegt im Westen der Brüsseler Altstadt.

Von Molenbeek nach Koekelberg

An der Grenze von Brüssel nach Molenbeek zeigt uns die belgische Hauptstadtregion ein gänzlich anderes Gesicht. Von der Rue de Flandre biegen wir in eine stille Gasse ab: Die Rue de la Cigogne lässt uns urplötzlich fühlen, in einer urigen Kleinstadt zu spazieren. Arm an Sehenswürdigkeiten, scheinen die Brüsseler Attraktionen auf der anderen Kanalseite schließlich ewig weit weg. In Molenbeek herrscht nicht der Tourismus, sondern der schnöde Alltag. Eine Wonne! Auf dem Rathausplatz keine Spur vom barocken Glanz der Grande Place. Stattdessen prägt Molenbeek ein wenig ansehnlicher Mix aus Backstein, aus mal strahlend weißen, mal trist blassen Neubauten. Hier wird gelebt, nicht gereist.

Nach dem gestrigen Tag, an dem wir allen voran das prunkvolle Brüssel im Sauseschritt kennenlernten, spüren wir beim Bummel durch die prunklosen Straßenzüge Molenbeeks, wie sich Augen und Kopf Schritt für Schritt entspannen. Wir schalten wir mindestens zwei Gänge zurück, schlängeln uns irgendwie zur Nationalbasilika in Koekelberg durch, auf deren Panoramaterrasse uns Brüssel zu Füßen liegt. Selbst aus der Vogelperspektive möchte die Stadt nicht wirklich groß wirken. Wieso also sind wir unsere Reise so schnell angegangen? Nein, es gibt auch im Winter wahrlich keinen Grund, durch Brüssel zu hetzen. Also: When in Brussels, mach mal lieber halblang.

In Kürze: Unser 1 THING TO DO für Brüssel im Winter

Was? Durch die Gemeinden abseits der von Sehenswürdigkeiten vollgestopften Brüsseler Altstadt zu spazieren.
Wo? Zum Beispiel, indem du von der Grande Place nach Westen in Richtung Molenbeek-Saint-Jean und weiter nach Koekelberg spazierst – mit der Nationalbasilika des Heiligen Herzen als Ziel deiner Route.
Wie viel? An sich kostenlos. Wenn du allerdings das Panorama der Nationalbasilika über Brüssel genießen möchtest, kostet das fünf Euro pro Person (Stand: Januar 2019).
Warum? Um nach erledigtem Sightseeing in Alltag und Wirklichkeit der belgischen Hauptstadtregion einzutauchen.

Circa 200 Kilometer nördlich von Brüssel liegt Amsterdam, das wir zufällig ebenfalls im Winter kennenlernten. Unser ziemlich ähnliches 1 THING TO DO für die niederländische Grachtenstadt verrät dir unser ↠ Amsterdam-Reisebericht. Beide Städte kannst du übrigens auch sehr gut kombinieren: Die Zugfahrt von Belgien in die Niederlande dauert gerade einmal zwei Stunden.

Reisen um zu reisen!
John & Marc

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Veröffentlicht oder inhaltlich überarbeitet am:


2 Antworten zu “Brüssel im Winter: Abseits von Waffeln und Fritten”

  1. Ein sehr informativer Beitrag – dankeschön! Ich gestehe, bin noch nie in Brüssel gewesen. Und Winterbesuche sind wirklich ein Risiko. Kürzlich waren wir in unterwegs im Oberpfälzer Wald – mitten im Winter. Nebel, Nässe, Kälte, Schneematsch in Amberg, Oberviechtach, Marienbad. Macht nicht wirklich viel Spaß, weil ja auch nicht viel los ist in so kleinen Städten. Im Sommer sieht halt alles freundlicher aus und die Menschen hetzen nicht so, weil sie nicht frieren.
    Einen Vorteil haben winterliche Städtereisen allerdings – man ist so ziemlich alleine mit den Einheimischen und das wiederum ist schön. Liebe Grüße nach Berlin, Sigrid

    • Brüssel ist leider eine dieser Städte in Europa, in der man auch im Winter alles andere als alleine unterwegs ist. Im Sommer ist die Stadt aber vielleicht noch mal voller, das sehen wir dann bei nächster Gelegenheit. Grundsätzlich verstehen wir dich da aber: Wir waren in diesem Winter auch viel unterwegs, eben weil viele in der warmen Jahreszeit beliebte Regionen, gerade in Deutschland, im Winter wie leergefegt sind, zum Beispiel Sächsische Schweiz und Müritz. Wobei wir in Sachsen auch mit Matsch zu kämpfen hatten, also unser Mitgefühl hast du! 😀

      Danke für deinen Kommentar! 🙂

      Liebe Grüße
      John & Marc

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