Masada Sonnenaufgang

Masada: Selbstscham zum Sonnenaufgang

Masada bei Sonnenaufgang erwandern: Aus einem ganz bestimmten Grund war die archäologische Stätte am Toten Meer ein Sehnsuchtsort unserer zweiten Israel-Reise. Als wir nach misslungenem Erstversuch endlich zur Wanderung nach Masada aufbrachen, verwandelte sich die Sehnsucht jedoch in Selbstscham. Geschrieben von Marc. 

Von Jerusalem zum Sonnenaufgang in Masada

Das hatten wir doch schon mal. In Jerusalem steigen wir in einen der grünen Egged-Busse, die Orte in ganz Israel miteinander verbinden. Auf dem Weg nach Masada sehen wir Teile der “Jerusalemer Mauer” und fahren in die West Bank ein. Passieren in einer kargen, gebirgigen Landschaft den Punkt, ab dem wir uns unterhalb des Meeresspiegels befinden. Machen Halt an einer Tankstelle, an der wie schon vor anderthalb Jahren ein Kamel Schatten unter eine Palme sucht.

Damals machten wir auf dem Weg nach Masada einen Zwischenstopp in Ein Gedi und badeten zum ersten Mal im Toten Meer. Heute fahren wir gleich nach Masada durch. Wir stellen uns frühzeitig in den Gang, um unseren Busfahrer darauf aufmerksam zu machen, dass wir aussteigen möchten. Nicht noch einmal wollen wir zulassen vergessen zu werden – und uns plötzlich in ↠ Eilat an der Südspitze Israels wieder finden.

Tipp: Auf der ↠ Webseite von Egged findest du auch einen praktischen Routenplaner, um deine Reise nach Masada zu planen.

Masada Sonnenaufgang
Auf dem Weg von Jerusalem nach Masada passierten wir schon auf unserer ersten Israel-Reise die Sperranlagen in Richtung West Bank.

Ankunft im Masada Youth Hostel

Diesmal klappt alles wie geplant. Wir atmen durch, als wir in der Dunkelheit an der Jugendherberge von Masada ankommen. Eine laues Lüftchen weht. Unweit des Toten Meeres ist es deutlich frühlingshafter als noch bei Abfahrt in Jerusalem. Keine Menschenseele befindet sich auf der Straße. Doch das wird sich schlagartig ändern, als wir im ↠ Masada Youth Hostel* eintreten, von dem aus du deine Wanderung in Masada vor Sonnenaufgang starten kannst.

Lautstarkes Geplapper dringt von allen Seiten in unsere Ohren. Die Schlange am Check-in verschlägt uns die Sprache. Es geht am Ende schneller als gedacht, da die meisten Tourist:innen zu jeweils einer Gruppe gehören und gemeinsam einchecken. Doch so langsam wird uns bange, ob unsere romantische Vorstellung vom Sonnenaufgang in Masada der Realität standhalten wird.

Masada Sonnenaufgang
Ein bisschen grün und viel mehr Nichts: Die Judäische Wüste am Toten Meer befindet sich unterhalb des Meeresspiegels.

Sonnenaufgang in Masada: Ein Reisetraum

Es ist schon kurios. Manchmal hascht man beim Stöbern über ein Reiseziel eine Idee auf, die einem nicht mehr aus dem Kopf geht. So verhält es sich auch mit dem Sonnenaufgang in Masada. Eine Wanderung auf den Tempelberg und dabei zu erleben, wie die Sonne über dem Toten Meer aufgeht, auf dessen Oberfläche inmitten der Wüste die ersten Lichter des Tages glitzern. Eine geradezu fantastische Vorstellung, die in uns noch weiter aufgeladen wurde, nachdem uns der Sonnenaufgang in Masada während unserer ersten Israel-Reise verwehrt blieb.

Und so gehen wir am Ort unserer überspitzten Sehnsucht mit übergroßen Erwartungen früh ins Bett, nachdem wir uns mit allerhand fettigen Köstlichkeiten sättigten, die wir vor der Abfahrt nach Masada im Busbahnhof von ↠ Jerusalem ergatterten. Morgen soll der Tag kommen, endlich die Genugtuung eintreten, diesen verdammten Sonnenaufgang in Masada doch noch zu erleben.

Masada Sonnenaufgang
Die Straße 90 führt am Toten Meer entlang und vorbei an Masada in Richtung Rotes Meer.

Aufbruch in der Dunkelheit

Überpünktlich stehen wir auf – und zwar noch vor den anderen Besuchern in unserem Zimmer, die aus fast allen Kontinenten der Welt hierher reisten. Auf die Morgendusche verzichten wir, um möglichst früh vor Sonnenaufgang den Weg auf den Tempelberg von Masada zu starten. Wir möchten uns am Ziel der Wanderung schließlich ein Plätzchen suchen, an dem wir von nicht allzu vielen anderen Tourist:innen aus unserer morgendlichen Trance gerissen werden.

Wir machen unsere Rechnung allerdings ohne die Wärter:innen des ↠ Masada-Nationalparks. Denn diese öffnen den Zugang erst mit Einsatz der Dämmerung. Wir überlegen, ob wir nicht einen Schleichweg benutzen sollten – vorbei am offiziellen Eingang. Doch schon bald warten wir nicht mehr alleine am Eingang zum Tempelberg von Masada und schieben unsere bösen Gedanken klammheimlich beiseite.

Masada Sonnenaufgang Wanderung
Die Festung Masada wurde 66 nach Christus im Jüdischen Krieg von Sikariern eingenommen, einer jüdischen Gruppe, die sich gegen die römische Besatzung wehrte.
Masada Sonnenaufgang Wanderung
Auf dem Tafelberg von Masada errichteten sie unter anderem Wohnhäuser und -höhlen, eine Bäckerei sowie eine Synagoge.

Masada-Nationalpark: Gedränge am Einlass

Die Sterne funkeln noch über uns, als nach einer guten halben Stunde endlich Personal an der Kasse eintrifft. Inzwischen haben sich schon einige Dutzend Besuchende versammelt, die allesamt den Sonnenaufgang in Masada erleben wollen. Der gute Herr an der Kasse lässt es gemütlich angehen. Die Touris können gerne warten. Es passiert das Unumgängliche: Jeder hier will der Erste sein. Ein Kampf um jeden Zentimeter. Erst wollen wir das Spielchen nicht mitspielen. Doch als uns das Ganze zu dumm wird, stimmen wir schließlich fröhlich mit ein.

Jubel bricht aus, als die erste Gruppe US-Amerikaner:innen den Eingang zum Masada-Nationalpark durchschreitet. Unsere Gesichter müssen zunehmend genervt und arrogant aussehen. Wir finden die Situation peinlich und unangenehm. Gleichzeitig sind wir aber mittendrin. Auch wir waren schließlich aus diversen Gründen scharf darauf, den Sonnenaufgang in Masada zu erleben. So langsam beginnen wir uns zu fragen, ob diese Wanderung im Morgengrauen es wert sein wird.

Masada Sonnenaufgang Wanderung
Zwischen 73 und 74 nach Christus wurde Masada von den Römern belagert.
Masada Sonnenaufgang Wanderung
Als die Römer Masada einnahmen, fanden sie die Leichen von 960 Männern, Frauen und Kindern, die entschieden, lieber als freie Menschen selbst zu sterben. So berichtete es der jüdisch-römische Historiker Flavius Josephus.

Snake Trail: Wanderung zum Felsplateau von Masada

Vor den Toren der Jugendherberge führt die Wanderung auf dem sogenannten ↠ Snake Trail schlangenartig in Richtung Festungsanlage von Masada. Es ist dunkel, doch der Mond sorgt im Zusammenspiel mit der einsetzenden Dämmerung für einigermaßen gute Sicht auf dem Weg. Die Wanderung nach Masada startet verhältnismäßig gemütlich. Als vergleichsweise geübte Wanderer feixen wir in uns hinein, als wir immer mehr von denen überholen, die sich am Eingang an uns vorbei gedrängelt hatten. Pech gehabt.

Ein Blick zurück zeigt die Ameisenstraße: Es müssen inzwischen mehrere hundert Tourist:innen sein, die heute den Sonnenaufgang in Masada verfolgen möchten. Unsere Stimmung ist nur deshalb etwas lockerer geworden, weil ihr nervig oberflächliches Geplapper inzwischen weit weg scheint. Die Wanderung wird zunehmend steiler, nach etwa einer halben Stunde haben wir uns etwas absetzen können und befinden uns an der Spitze des Zuges.

Masada Sonnenaufgang Wanderung
Die schwarzen kleinen Punkte auf dem Snake Trail zeigen, wie viele Menschen sich den Sonnenaufgang in Masada nicht entgehen lassen wollten.

Masada zum Sonnenaufgang: Sprungfotos und Selfiesticks

Nach einer knappen Stunde haben wir die 400 Höhenmeter überwunden und betreten das noch menschenleere Plateau von Masada. Wir suchen uns ein Plätzchen, an dem wir hoffen, möglichst ungestört zu bleiben. Einen kurzen Moment lang nur kommt unsere Vorstellung dieses Erlebnisses der Realität nahe. Bis die Festungsanlage Sekunde für Sekunde von mehr Tourist:innen bevölkert wird – und unser Traum vom romantischen Sonnenaufgang in Masada zum Albtraum mutiert.

Es dauert nicht lange, da stellt ein russischer Besucher sein Stativ direkt (!) vor unseren Nasen auf, um das perfekte Foto vom Sonnenaufgang in Masada schießen zu können. Wir können die Dreistigkeit nicht fassen, ziehen weiter und bemerken, dass einfach nirgendwo mehr ein Platz zu finden ist, der es erlaubt, den Moment zu genießen. Alles ist voller Selfiestangen, Smartphones und oberflächlichem Blabla. Wir finden das alles abstoßend. Und uns selbst irgendwie auch, denn immer wieder folgt die Einsicht: Wir sind mittendrin in diesem Wahn, den Sonnenaufgang in Masada unbedingt sehen zu müssen.

Masada Sonnenaufgang Wanderung
Der Moment, auf den wir lange warteten: Die Sonne legt einen gelben Schleier über das Tote Meer.
Masada Sonnenaufgang Wanderung
Sonnenaufgang in Masada: Was so idyllisch aussieht, wurde uns von vielen Dutzend anderen Reisenden ziemlich vermasselt.

Must-see Masada: Wir klinken uns aus

Wir resignieren und setzen uns letztlich einfach irgendwohin, wo wir den Sonnenaufgang einigermaßen gut verfolgen können. Als die ersten Sonnenstrahlen zu sehen sind, hat es schon längst den nächsten Jubelschrei gegeben. Eine Gruppe hatte sich etwas weiter oben positioniert und entsprechend ein paar Sekunden früher das Glück. Die Jubelarien wiederholen sich, bis auch an der letzten Ecke klar ist, wie der Sonnenaufgang in Masada aussieht.

Um uns herum glückliche Gesichter. Wir bemühen uns, uns gegenseitig ein wohliges Gefühl zu vermitteln. Insgeheim möchten wir aber am liebsten allen die Augen auskratzen. Neben uns nur noch ein Thema: Wer macht das tollste Foto? Ein Sprung-Foto nach dem anderen. Und natürlich werden auch die Hände für Instagram so positioniert, als würden sie die aufgehende Sonne festhalten. Und wir? Wir packen unsere Kopfhörer aus, um uns mit sphärischer Musik auszuklinken.

Masada Sonnenaufgang Wanderung
Morgendliche Schattenspiele über der Wüste Juda, die sich westlich des Toten Meers ausstreckt.
Masada Sonnenaufgang Wanderung
Fast noch beeindruckender empfanden wir die Schattenspiele über dem Gebirgsstock westlich des isolierten Tafelbergs von Masada.

Wanderung in Masada? Besser nicht zum Sonnenaufgang

Recht früh setzen wir dazu an, den Rest des Plateaus von Masada zu erkunden. Das geschieht übrigens zu einem Moment, als die ersten schon wieder den Weg zurück nach unten einschlagen. Es ist verrückt, wie wenig manch Tourist:in jenen Stätten Respekt zollt, die für Geschichte und Identität des gewählten Reiseziels derart bedeutungsvoll sind. So wie Masada für Israel.

Bei unserem Rundgang zeigt sich uns, dass wir die Licht- und Schattenspiele der gebirgigen Wüstenlandschaft rund um den Tafelberg von Masada beinahe noch faszinierender finden als den Sonnenaufgang über dem Toten Meer. Wir steigen in einen einstigen Wasserspeicher hinab, dessen schiere Größe uns in Staunen versetzt. Auf der dem Toten Meer gegenüberliegenden Seite erblicken wir schließlich jene berühmte Rampe, welche die Römer einst zur Belagerung der Festung von Masada nutzten. Uns wird klar: Es sind Geschichte und Mythos, die Masada zu etwas Besonderem machen. Nicht der Sonnenaufgang.

Tipp: Wenn du mehr über die Geschichte von Masada erfahren möchtest, empfehlen wir einen Blick ↠ auf diese Seite.

Masada Sonnenaufgang Wanderung
Am unteren Bildrand gut zu erkennen ist die Rampe, die von den Römern einst zu Belagerung und Sturm der Festung von Masada aufgeschüttet wurde.
Masada Sonnenaufgang Wanderung
Ein gut erhaltener Wasserspeicher zeigt exemplarisch, wie sich die Sikarier mitten in der Wüste Juda in Masada eine Lebensgrundlage schufen.

Einen Geheimtipp, wie du den Sonnenaufgang in Masada ruhiger verbringst, verrät dir Gastautor Erez in seinem Artikel über ↠ Wandern in Israel. Im Anschluss ging es für uns beide übrigens direkt weiter zum Strand von ↠ Ein Bokek am Toten Meer, ebenfalls erreichbar im grünen Egged-Bus.

Reisen um zu reisen!
John & Marc

Masada Sonnenaufgang Wanderung

Veröffentlicht oder inhaltlich überarbeitet am:


6 Antworten zu “Masada: Selbstscham zum Sonnenaufgang”

  1. Wir wollten eigentlich nur einen Spa-Tag am Toten Meer machen, die Guide meinte aber, wer so weit fährt und nicht Masada miitnimmt… das könne sie nicht verstehen. Haben uns dann überzeugen lassen und sind zu viert (wir beide, einer aus Equador + Tourguide) mit der Bahn hoch, der Trail war wegen zu großer Hitze geschlossen. Wäre bei 45 Grad auch einfach nicht machbar gewesen. Oben waren wir dann gg. 11-12 Uhr fast die Einzigen, haben im Schatten ihren Stories gelauscht – im Nachhinein viel besser als erwartet 🙂 Die 2.5 statt 5 (?) Stunden am Toten Meer haben uns auch locker gereicht.

    • Danke für den Kommentar! 🙂

      Wäre ein weiterer Beleg dafür, dass viele einfach nach dem Sonnenaufgang gieren und die Geschichte hinter Masada gar nicht interessiert – schade drum! Am Toten Meer haben wir es jemals auch nicht lange ausgehalten. Richtig abkühlen kann man sich nicht, die Sonne brennt und das laufende Abduschen ist auch nicht sonderlich entspannungsfördernd… Liebe Grüße!

  2. Hmm, wieso schaut man sich denn nicht den Sonnenuntergang an (Achtung, Verschreiber am Artikelende!)? Scheint mir viel bequemer 😜 (Ich gebe zu, ich hasse früh aufstehen…)

    LG
    Jenny

    • Danke! Wir lieben lektorierende Leserinnen und Leser… man findet eben nicht jeden Fauxpas. 😀

      Der Mythos Sonnenaufgang in Masada lebt in der Tat davon, dass die Sonne eben über dem Toten Meer aufgeht. Von den Farbenspielen her sollte der Sonnenuntergang aber nicht minder schön sein. Kann nur sein, dass der Nationalpark schon zu früh schließt. Laut Webseite je nach Jahreszeit nämlich zwischen 15 und 17 Uhr. Allerdings stehen da auch andere Öffnungszeiten am Morgen, als es bei uns der Fall war… hmmm! 🙂

      Liebe Grüße!

  3. Kann ich allzu gut nachvollziehen. Ging mir an vielen Orten auf der Welt auch schon so. Und die wahren Schätze finden sich dann irgendwo abseits der ausgelaufenen Touristenpfade. Aber genau deswegen sind wir ja Reisende und nicht Touristen 🙄

    • Da gibt es in der Tat einige Orte, aber in Masada ist es uns bislang am negativsten aufgefallen… Liebe Grüße!

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