Aussicht auf Florenz

Florenz ohne Schlangestehen: Fare la Toskana

Als Wiege von Renaissance und makellosem David ist Florenz eine Stadt wie ein Versprechen. Ein Versprechen, das die Hauptstadt der Toskana bei bis zu 4,5 Millionen Besuchenden pro Jahr mitunter brechen muss. Wie in vielen anderen italienischen Sehnsuchtsorten gilt es auch unter der Kuppel des Doms von Florenz, Schlange zu stehen. Unsere Florenz-Tipps verraten, wo in der Stadt am Arno du trotzdem findest, wonach du vor deiner Reise gesucht hast.

Über den Dächern von Florenz

Den Mietwagen gerade abgegeben, setzen wir uns auf die Dachterrasse über dem Hotel, in dem wir für eine letzte Nacht in der Toskana übernachten. Wir sind nicht alleine. Eine ältere Frau – dunkelgraue Schläfen, nicht gerade die tipica nonna italiana – dreht in der Abenddämmerung ihre Runden. Eine nach der anderen. Eine Stunde lang. Im Kreis stur geradeaus.

Was sind das für seltsame Zeiten, in denen wir Florenz besuchen! Die Vermutung liegt nahe, dass die Dame in Quarantäne ist und sich ihre heutige Portion Frischluft und Bewegung holt. Trotz Pandemie erlebten wir Firenze als deutlich stärker von Tourist:innen frequentiert als zuvor ↠ Bologna. Corona? Angesichts mancher Menschenmasse selbstgewähltes Risiko.

Über den Dächern von Florenz
Abendstimmung über den Dächern von Florenz, den Duomo di Firenze im Blick.

Florenz, wie es leibt und steht

Wie voll muss Florenz erst sein, wenn der Tourismus wieder anläuft? Egal ob vor dem Duomo, vor den Uffizien oder dem Panini-Laden All’Antico Vinaiao (quasi der Mustafa’s Gemüse Kebab der Stadt): Florenz zu besuchen heißt offensichtlich auch, Schlange zu stehen: fare la fila. Das Gen, sich erstmal anzustellen und zu schauen, was passiert, wurde uns beiden nicht in die Wiege gelegt. Und so mieden wir sie, so gut es ging, und versuchten, Florenz anders zu erleben.

Anstatt uns am All’Antico Vinaiao anzustellen, liefen wir die Via dei Neri einfach ab und genehmigten uns unsere Panini in der ↠ Panetteria e Stuzzicheria De Neri. Schmackhaft und sogar mit Sitzplatz! Und die ausgiebigsten Spaziergänge unternahmen wir nicht nördlich des Arno, sondern auf der dem Dom gegenüberliegenden Uferseite. Deren Gassen verleiten niemanden zum Schlangestehen, sind aber genauso ansehnlich. Vor allem aber zeigt sich Florenz hier schnell von seiner grünen, stellenweise fast schon alltäglichen Seite.

Florenz: Tipps fürs andere Ufer

Einer dieser Abstecher, den sicherlich auch viele andere in Florenz unternehmen, führte uns über die Ponte delle Grazie zur Porta San Niccolò und von dort aus über die Rampe del Poggi hinauf zur ↠ Piazzale Michelangelo. Dort bekommst das bekannte Postkartenpanorama vor die Linse. Ein Geheimtipp ist das freilich nicht. Du kannst viele andere aber hinter dir lassen, indem du ein paar Hundert Meter weiter zur Basilika San Miniato al Monte läufst, auf dem Friedhof Cimitero delle Porte Sante verweilst und Florenz dabei ebenso zu Füßen liegen hast.

Wiederum touristischer wird es, wenn du über die berühmte Ponte Vecchio zum ↠ Palazzo Pitti und den dahinter gelegenen, weitläufigen ↠ Giardino di Boboli läufst. An der Porta Romana jedoch scheint das touristische Florenz urplötzlich zu enden. Im nicht sonderlich sehenswerten Giardino delle Scuderie Reali verbrachten wir eine ganze Weile damit, herumtollende Hunde und ihre Besitzer:innen zu beobachten. Gerade in Städten wie Florenz kann es gut tun, zwischendurch daran erinnert zu werden, dass es auch Menschen mit Alltag gibt.

Bellosguardo: Geheimtipp am Stadtrand

Über die Porta Romana liefen wir zurück in Richtung Arno, bogen linker Hand in die Via del Casone und weiter in die Via di Bellosguardo ein – benannt nach dem Hügel, auf dem dieser Stadtteil gebaut wurde. Wir betraten ein Florenz, das wir bis dahin nicht zu vermuten geglaubt hätten. Inmitten mittelalterlicher, mit Efeu bewachsener Mauern, grüner Gärten, Olivenhainen und Zypressen wäre es ein Leichtes gewesen zu vergessen, überhaupt in Florenz zu sein. Doch dann blitzte sie doch wieder hervor, die rote Kuppel des Duomo.

Wenn wir auf eine Reise aufbrechen, dann sind wir insgeheim auch immer auf der Suche nach etwas. Abgeschiedenheit, Ruhe, Zeit zum Durchatmen, Genuss: In der Toskana suchten wir ganz sicher nicht danach, in der Schlange zu stehen oder auf Teufel komm raus das beste Panino zu essen. Auf dem Bellosguardo schienen wir zu finden, wonach wir suchten. Und kehrten mit freiem Kopf zurück ins Getümmel.

Tipps für Florenz: Unser 1 THING TO DO

Was? Ein Spaziergang auf dem Hügel Bellosguardo.
Wo? Der Bellosguardo erhebt sich südlich des Arno, südwestlich des Stadtzentrums. Möglicher Anlaufpunkt ist die gleichnamige Piazza.
Wie viel? Niente.
Wieso?
Um für ein, zwei Stunden Abstand von den Dingen zu bekommen, die du in Florenz angeblich gesehen haben musst.

Bellosguardo, Florenz
Das etwas andere Panorama über Florenz: Aussicht vom Hügel Bellosguardo.

Florenz: Weitere Tipps und Sehenswürdigkeiten

Ganz ohne Klassiker ging es doch nicht. Ja, auch wir besuchten den Dom von Florenz – eigentlich die Kathedrale Santa Maria del Fiore – und reihten uns in die Schlange ein, die sich am Ende sogar recht zügig bewegte. Und sonst?

  • Auch die David-Statue in der ↠ Galleria dell’Accademia ließen wir uns nicht entgehen. Der Besuch lohnt auch wegen der Gipsoteca Bartolini, in der rund 250 Gips-Modelle ein Gefühl für die Kunst der Bildhauerei vermitteln. Dank Zeitfenster-Ticket ohne Schlange.
  • Weiter in Richtung Norden beginnt sich Florenz Schritt für Schritt abermals von seiner alltäglicheren Seite zu zeigen. Anlaufstelle für einen Spaziergang könnte der ↠ Giardino dell’Orticoltura samt Gartencafé sein. Drumherum wartet sowas wie das Prenzl’berg von Florenz (mit allen Sonnen- und Schattenseiten).
  • Ein Schlaraffenland ist die obere Etage des ↠ Zentralmarkts. Hier bieten zahlreiche Stände herzhafte wie süße Leckereien an, die du mit einem Glas Wein an einem der Tische verputzen kannst. Wenn denn einer frei ist. Durchgentrifiziert statt bodenständig. Dafür lecker und täglich bis Mitternacht geöffnet.
  • Auch wenn die Toskana andere Köstlichkeiten bereithält: Die beste Pizza in Florenz soll es in der ↠ Pizzeria Fratelli Cuore am Hauptbahnhof geben. Das meinte zumindest der Mitarbeiter an der Rezeption zu uns. Fazit: schmeckt.
  • Und damit du nicht ewig suchen musst: Für den kleinen Hunger zwischendurch und am Morgen hält die Espressobar Caffè dei Fossi in der Via dei Fossi alles bereit, was das Herz begehrt.

Der Bellosguardo erinnerte uns an ein weiteres Versprechen: jenes, das uns die Toskana in Vorfeld unserer Reise machte. Denn Florenz war Start- und Endpunkt unseres Roadtrips durch die Toskana, bei dem wir zum Beispiel in Greve und Castellina in Chianti, in Castiglioncello an der toskanischen Küste und an den Thermalquellen von Saturnia Station machten.

Reisen um zu reisen!
John & Marc

Veröffentlicht oder inhaltlich überarbeitet am:


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