Luckenwalde ist kaum jemandem als einstige Industriemetropole bekannt. Auch als Ausflugsziel läuft die 20.000-Seelen-Stadt unter ferner liefen. Für überregionale Bekanntheit sorgen lediglich Fläming-Therme und Fläming-Skate – gleich mehrere Rundkurse starten hier. Bei unserer Stippvisite in Luckenwalde vermochte jedoch ein anderer Ort, die “rote Stadt” als Ausflugsziel bei Berlin ins Bewusstsein zu rücken. Geschrieben von Marc.
Hinweis: Der Artikel enthält Werbung in Folge einer bezahlten Kooperation mit dem Tourismusverband Fläming e.V., der uns für eine Nacht zur Erkundung der Region einlud.
Willkommen in Luckenwalde
Der Himmel über Luckenwalde ist wolkenbehangen, monotones Grau wohin wir auch schauen. Selbst die goldene Bibliothek am Bahnhof möchte heute nicht so recht funkeln. Es nieselt, dazu weht eine kalte Brise. Auf dem Weg ins Stadtzentrum passieren wir einige leerstehende Häuser. John fühlt sich kurioserweise an ↠ Odessa in der Ukraine erinnert. Ich an eine beliebige Stadt im toten Winkel Brandenburgs, die ich niemals besuchen wollte.
Manchmal braucht es einen Türöffner, um auf Reisen einem Ort etwas abzuverlangen. In Luckenwalde eröffnet uns das HeimatMuseum eine andere Perspektive auf die Stadt im Süden Berlins. Es ist nicht das typische Heimatmuseum, das mit Jahreszahlen und Exponaten um sich schmeißt, ohne ein wirkliches Konzept zu verfolgen. Schon im ersten Raum macht es unmissverständlich klar, dass das, was in Luckenwalde heute vielerorts verfällt, Spuren einer vergessenen Industriestadt sind.
HeimatMuseum Luckenwalde
Zählt Luckenwalde heute etwa 20.000 Einwohner:innen, so waren es in der Weimarer Republik noch rund 25.000. 11.000 von ihnen waren Gewerkschaftsmitglieder:innen, 80 Prozent wählten die SPD, die selbst 1933 noch stärkste Partei wurde. Luckenwalde war (und ist) eine “rote Stadt”. Das HeimatMuseum greift dies auch optisch auf, immer wieder setzen quietschend rote Hingucker einen Kontrapunkt zur modern gehalten, dunkelbraun-weißen Einrichtung.
12.000 Exponate zeigen die Ausstellungsräume. Dennoch wirkt die Ausstellung nicht überladen. In der Mitte der Räume erzählen einige wenige die Geschichte der Stadt, beginnend mit ihrer Entstehung über die Entwicklung zur Industriestadt bis hin zu NS-Zeit, DDR und Gegenwart. Der Großteil der Ausstellungsstücke aber befindet sich in den riesigen Vitrinen an den Wänden. Ohne Beschriftung stehen sie symptomatisch für die jeweilige Epoche. Hier kommt dem HeimatMuseum zugute, dass sein Konzept von Beginn an klar ist. Wem das gelingt, der braucht auch keine einschläfernden Texttafeln.
Tipp: Auf YouTube lädt dich Museumsleiter Roman Schmidt auf eine ↠ Vorabführung ein.
Wie eine andere Stadt
Das HeimatMuseum erlaubt sich einige Erzähltechniken, die wir von einem Museum in einer Stadt dieser Größe nicht erwartet hätten. Im Raum StaLag 3a stehen wir auf Glasscheiben, unter denen Fundstücke aus dem größten Kriegsgefangenenlager im Militärkreis Berlin so ausgestellt werden, wie sie gefunden wurden. Ohne Schnickschnack. Im letzten Raum “telefonieren” wir mit Luckenwalder:innen, die uns ihre Lebensgeschichte erzählen. Manche wollen einfach nur weg, andere die Mauer zurück. Die Zukunft von Luckenwalde bleibt so im Ungewissen.
Als wir das Museum wieder verlassen, fühlen wir uns wie in einer anderen Stadt. Wir versuchen uns zurückzuversetzen in die Zeit, als unermüdlich Rauch aus Dutzenden Schornsteinen in den Himmel stieg und Tausende Arbeiter:innen in den Fabriken ihr Werk verrichteten. Das Hotel Vierseithof, in dem wir unsere Fahrräder ausliehen, ist Relikt dieser Zeit, geht ein Teil des Komplexes doch auf die erste Fabrik in Luckenwalde überhaupt zurück. Anderen Fabriken ist bis heute keine neue Rolle zugefallen.
Der schiefe Turm von Luckenwalde
Ein paar Schritte weiter besuchen wir den 39 Meter hohen Marktturm, Wahrzeichen der Stadt und ein bisschen schief. Er ist höher als die erst später errichtete St. Johanniskirche. Ein Unding in der damaligen Zeit, weshalb er kurzum als Kirchturm genutzt wurde. Riesige Glocken hängen noch heute im Marktturm, der aus gutem Grund nur im Rahmen von Führungen besichtigt werden kann, wobei du dich besser vorab ↠ online über anstehende Termine informierst. Der Aufstieg ist ein kleines Abenteuer für sich, die Deckenhöhe teils abenteuerlich klein. Könnten tollpatschige Gäste im Turm schalten und walten wie sie wollen, gäbe das wohl saftige Beulen.
Auch aus der Vogelperspektive wird klar, dass die Industriestadt Luckenwalde Geschichte ist. Nur ein paar Schornsteine sind geblieben, die allermeisten wurden zurückgebaut bzw. abgerissen. Dafür sehen wir das in Bauhaustradition erbaute Stadttheater, das von der Bedeutung der Stadt in den 20er Jahren zeugt. In südwestlicher Richtung verläuft die Fußgängerzone in der Breiten Straße als Zeichen dafür, dass Luckenwalde auch ohne Fabriken überlebt.
Luckenwalde: Ausflug zur Hutfabrik
Mit unseren Fahrrädern unternehmen wir einen kurzen Abstecher raus aus dem Stadtzentrum. Im HeimatMuseum hatte das Modell der einstigen Hutfabrik unser Interesse auf sich gezogen. Heute ist sie besser bekannt als ↠ Mendelsohnhalle, benannt nach ihrem Architekten, Eric Mendelsohn. Eine typische Fabrik Marke Brandenburg sieht anders aus, das charakteristische Färbereigebäude erinnert sogar an einen Hut. Dass der Expressionismus auf diese Art in Luckenwalde zugeschlagen hat, überrascht uns.
Unsere Gästeführerin im Marktturm meinte, dass die Luckenwalder in den Zeiten der Industriestadt alles gerne etwas anders machen wollten, Hutfabrik und Stadttheater sind Ausdruck hierfür. Sie sprach von der den Luckenwalder:innen von damals eigenen Arroganz. Vielleicht würde Luckenwalde ein Stück dieser positiv gerichteten Arroganz wieder gut tun. Das selbstbewusste HeimatMuseum ist ein Schritt in diese Richtung.
In Kürze: Unser 1 THING TO DO für deinen Ausflug nach Luckenwalde
Was? Nach einem Besuch im HeimatMuseum auf Spurensuche nach dem früheren Luckenwalde zu gehen.
Wo? Das HeimatMuseum liegt direkt im Stadtzentrum, eingebettet zwischen St. Johanniskirche und Stadtverwaltung. Luckenwalde verfügt über einen Regionalbahnanschluss nach Berlin.
Wie viel? Ein Besuch von Dauer- und Sonderausstellung kostet 2,50 Euro pro Person (Stand: Oktober 2018), weitere Informationen dazu – auch zu Führungen – findest du hier.
Warum? Um bei Abfahrt ein anderes Luckenwalde als bei deiner Ankunft zu verlassen.
Tipps für deinen Ausflug nach Luckenwalde
- Der Fläming ist dann am schönsten, wenn du ihm Zeit gibst, sich zu entfalten. Daher empfehlen wir dir stets eine Übernachtung, um mehr Luft für neue Entdeckungen zu haben. In Luckenwalde ist das ↠ Hotel Vierseithof* eine Instanz. Urgemütlich geht es zum Beispiel im ↠ Hühnerhof im nicht weit entfernten Treuenbrietzen zu, erreichbar mit der Bahn.
- In der ↠ Fläming-Therme in Luckenwalde überzeugte uns vor allem der Saunabereich, der über eine Finnische, eine Bio- und eine “Karpaten”-Sauna sowie ein Dampfbad verfügt. Deutlich turbulenter geht es in den beiden Wasserrutschen nebenan zu.
- Wenn du Luckenwalde und die nähere Umgebung mit dem Fahrrad erkunden möchtest, kannst du dir im Hotel Vierseithof Fahrräder ausleihen. Es handelt sich hier allerdings um Citybikes, weshalb du nicht allzu lange Fahrten planen solltest. Fahrradschloss nicht vergessen!
Luckenwalde reiht sich nahtlos in eine Reihe unerwarteter Entdeckungen ein, die wir bislang im Fläming erleben durften. Tags zuvor unternahmen wir übrigens einen ↠ Ausflug nach Beelitz und nahmen obendrein an einer der ↠ Führungen in Beelitz-Heilstätten teil. Weitere Inspiration für deine Reise in die Kulturlandschaft südwestlich von Berlin und Potsdam findest du in unseren ↠ Fläming-Ausflugszielen.
Reisen um zu reisen!
John & Marc
4 Antworten zu “Luckenwalde: Die vergessene Industriestadt”
Hallo Silvia, das ist ja super das du dich für die Kultur von Luckenwalde so interessiert.
Danke, aber wer ist diese Silvia? 🙂
Liebe Grüße
John & Marc
Immer wieder interessant von Orten zu lesen, von denen ich wirklich noch nie was gehört habe!
Danke für den informativen BEitrag.
Liebe Grüße
Dorie von http://www.thedorie.com
Danke dir, liebe Dorie! Darüber berichten wir ja insgeheim am liebsten… 😀
Liebe Grüße
John & Marc