Baku Reisebericht: Vom Möchtegern am Kaspischen Meer
Baku ist eine Stadt, die der Welt zeigen möchte, wie großartig sie ist. Auf den ersten Blick scheint in Baku alles möglich. Wären da nicht die weniger narzisstisch veranlagten Stadtviertel von Baku, die gar nicht weit entfernt von Boulevard und Altstadt liegen. Unser Baku Reisebericht zeigt dir Kulisse und Sehenswürdigkeiten der aserbaidschanischen Kapitale – und wagt einen Blick dahinter. Geschrieben von Marc.
Über Schein und Sein in Baku
Von der Aussichtsplattform des Şəhidlər Xiyabanı, einem Märtyrer-Friedhof für die in den Konflikten mit Roter Armee und Armenien gefallenen Bürger und Soldaten, überblicken wir beinahe die gesamte Küstenlinie von Baku, der Zwei-Millionen-Stadt am Kaspischen Meer. Inklusive einige ihrer wichtigsten Sehenswürdigkeiten.
Rechterhand funkelt die ↠ Crystal Hall im Sonnenlicht, rasch erbaut für den Eurovision Song Contest im Jahr 2012. Links daneben dreht das 60 Meter hohe ↠ Baku Eye seine Runden. Weiter nördlich am „Bulvar“ steht das futuristische Gebäude des ↠ Teppichmuseums, natürlich in Form eines zusammengerollten Teppichs. Hinter uns ragen die drei ↠ Flame Towers gen Himmel, zwischen 161 und 188 Meter hoch und wohl bekannteste Sehenswürdigkeiten Bakus. In der Ferne wachsen weitere Wolkenkratzer in die Höhe, es scheinen immer mehr zu werden. Baku, so könnte man meinen, führt ein Leben in Saus und Braus.
Baku macht sich unbeliebt
Aus der Vogelperspektive scheint Baku eine Stadt ohne Grenzen zu sein. Doch schon bei unserer Ankunft wurden uns erste Grenzen aufgezeigt. Ein Polizist war scheinbar der Meinung, dass wir uns ein wenig zu lange am Hauptbahnhof aufhielten und wies uns mit böser Miene den Weg. Dabei waren wir gerade erst mit dem Nachtzug aus ↠ Tiflis angekommen und brauchten einfach einen Moment, um uns zu organisieren.
Am Mittag ließen wir uns mangels Alternativen in einem wenig attraktiven, dafür aber blank polierten Restaurant am Bulvar nieder, auf dem du einige der wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Baku passierst. Als wir zahlen wollten, blitzte aus Johns Portemonnaie georgisches Bargeld auf. Der Kellner schöpfte sofort Verdacht und forderte uns auf, ihm den Geldschein zu zeigen. Vermutlich dachte er, wir hätten armenische Banknoten dabei. Beide Länder sind sich spinnefeind, das bemerkten wir spätestens an kleinen Situationen wie diesen. Und so begann sich ein Schleier des Unwohlseins, ja der Unfreiheit, über unseren Besuch in Baku zu legen, der uns die Stadt nicht gerade lieben lernte.
Unterwegs in Baku: Auf Schritt und Tritt verfolgt?
Das mulmige Gefühl, mit dem wir Baku in diesen Tagen entdecken, verlässt uns nicht einmal in unserem Hostel. In der Altstadt İçəri Şəhər mit ihren historischen Sehenswürdigkeiten gelegen, fühlen wir uns dort laufend von der Besitzerin und ihren Gehilfinnen beobachtet. Sobald wir beide auch nur einmal kurz nach draußen zum Kiosk gehen, kehren wir zurück, nur um zu bemerken, dass an unseren Betten schon wieder etwas woanders hingelegt wurde.
Vielleicht sind die Damen einfach nur ganz besonders penibel. Vielleicht ist es einfach nur etwas zu guter Service. Doch im Zusammenspiel mit einigen weiteren fragwürdigen Momenten, die wir in Baku und Umgebung erleben, verfestigt sich so der Eindruck in uns, dass in der aserbaidschanischen Hauptstadt vieles mehr Schein als Sein ist. Eine Metropole, in der man frei leben kann, fühlt sich für uns anders an.
Baku Reisebericht: Altstadt İçəri Şəhər
Die Aseris allerdings vermitteln den Eindruck, ganz besonders stolz auf ihr Land zu sein. Patriotismus scheint hier geradezu Pflicht – genauso übrigens wie die Zuneigung zum Brudervolk in der Türkei. Die Liebe zur eigenen Nation spiegelt sich auch in der durch und durch restaurierten Altstadt von Baku wieder, die für unseren Geschmack – wir pflegen bekanntlich eine Vorliebe für alles, was bröckelt – ein wenig zu sehr in Schuss gebracht wurde.
So kommt es auch, dass das von einer Stadtmauer umgebene Weltkulturerbe voller Sehenswürdigkeiten auf uns nur wenig authentisch wirkt. Vielmehr beschleicht uns das Gefühl, in einer Kulisse aus tausendundeiner Nacht umher zu wandeln, die jedoch nicht viel mehr ist als eben Kulisse. Am Abend lässt sich hier und da in der Altstadt wirklich gut speisen. Doch wer wie wir zuvor in ↠ Georgien unterwegs war, hat einen verwöhnten Gaumen. Und hat wahrscheinlich Gefallen an deutlich authentischeren Sehenswürdigkeiten gefunden.
Yanar Dağ: Ein brennender Berg bei Baku
Noch auf der Aussichtsplattform des Märtyrer-Friedhofs beschließen wir folglich, am kommenden Tag in der Nähe von Baku das Weite zu suchen. An der Metrostation Koroğlu brechen wir mit dem 217er Bus zum ↠ Yanar Dağ auf, zu Deutsch „brennender Berg“. Natürlich nicht, ohne zunächst ein Dutzend Taxifahrer abzuwimmeln, die allesamt viel besser wissen, wie wir dorthin gelangen würden.
Yanar Dağ gehört für uns zu jenen Sehenswürdigkeiten unserer Reise im Kaukasus, die den Weg – immerhin eine 40-minütige Busfahrt – eigentlich nicht wert waren. Eigentlich wäre für den zehn Meter langen Felsspalt, aus dem unermüdlich Flammen schlagen, auch beinahe gar kein Platz in unserem Baku Reisebericht gewesen. Doch ohne den Ausflug in den Nordosten von Baku hätten wir Aserbaidschans Hauptstadt nicht von jener Seite kennen gelernt, die wir im Stadtzentrum mit seinen Sehenswürdigkeiten nicht hätten erahnen können.
Abseits der Sehenswürdigkeiten von Baku
Auf dem Rückweg nehmen wir den 147er zur Metrostation Azadliq und schälen Baku wie eine Zwiebel. Schicht für Schicht. Der Busfahrer manövriert uns zunächst durch kleinere Siedlungen, die vom Prunk unter den Flame Towers nicht weiter entfernt sein könnten. Statt brennenden Bergen sehen wir kleine Müllberge. Tiefpumpen erledigen – teilweise zwischen Einfamilienhäusern – gefühlt an jeder Ecke ihren Dienst auf der Suche nach schwarzem Gold.
Am Azadliq Prospekti angekommen, stehen wir vor der Wahl, mit der U-Bahn zurück ins Zentrum von Baku zu fahren oder den Weg zu Fuß zurückzulegen. Wir entscheiden uns für die langsame Variante und verlangsamen sie weiter, indem wir statt der Hauptstraßen auch kleinere Nebenstraßen in unsere Route durch das ganz andere Baku einbeziehen.
Baku und die Frage: Was ist eigentlich schön?
Der Lack ist ab. In die Jahre gekommene sieben-, acht-, neungeschossige Wohnhäuser säumen die Straßen. Von der Sonne ausgeblichene Werbeplakate hängen über unseren Köpfen, Hühner werden zum Verkauf angeboten. Baku mag rund um den Bulvar furchtbar steril wirken. Hier jedoch, abseits der Sehenswürdigkeiten, wirkt es wild, dreckig und ungezähmt.
Und so stellt Baku uns wieder einmal vor eine Frage, die uns auf Reisen öfter durch den Kopf schießt: Was ist eigentlich Schönheit? In Baku meinen wir, sie weder im noch außerhalb des Stadtzentrums gefunden zu haben. Denn entweder, die Stadt am Kaspischen Meer war niemals richtig schön. Oder aber, ihre einst möglicherweise authentische Schönheit wurde der Lust an einer glorreichen Zukunft geopfert, die gar nicht schnell genug kommen kann. Wahrscheinlich ist es das Zweite. Aber das ist natürlich reine Spekulation.
Wenn du nach unserem Baku Reisebericht tiefer in unsere Erlebnisse am Kaspischen Meer eintauchen möchtest, empfehlen wir dir das Video zu unserer ↠ Kaukasus-Reise. Darin machen wir nicht nur in Baku sowie am brennenden Berg Yanar Dağ Station, sondern auch im nahegelegenen Qobustan:
Unser 1 THING TO DO für Baku entdeckten wir übrigens nicht in Aserbaidschans Hauptstadt selbst, sondern im ↠ Qobustan Nationalpark, der sich rund 60 Kilometer weiter südlich befindet. Wenn du während deiner Reise einmal im Kaspischen Meer baden möchtest, dann legen wir dir außerdem unseren Artikel über ↠ Strände bei Baku ans Herz.
Reisen um zu reisen!
John & Marc
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Anonymous
Danke für den interessanten Bericht.
1 THING TO DO
Danke für den lieben Kommentar und alles Gute für 2020!
Liebe Grüße
John & Marc