Wer im Vorfeld der Reise nach Albanien zum ersten Mal Bilder vom Koman-Stausee sieht, möchte am liebsten direkt seine sieben Sachen packen. Viele davon zeigen grüne Hänge der Albanischen Alpen, die sich im saftig türkisfarbenen Wasser der 34 Kilometer langen Schlucht spiegeln. Die Google-Bildersuche etwa ist voll davon. Doch sie verschweigt ein wichtiges Detail. Oder besser: Abertausende. Geschrieben von Marc.
Von Tirana zum Koman-Stausee
Es dämmert noch nicht einmal, als wir unser Hostel in ↠ Tirana verlassen. Doch was ist schon Schlaf auf Reisen? Der frühe Vogel sieht am meisten, hat mehr vom Tag. Reisen ohne Hektik. Na gut. Wir hätten liebend gerne ausgeschlafen. Natürlich. Doch da es quasi nur diese einzige Möglichkeit gibt, ohne Mietwagen von Tirana zum Koman-Stausee zu gelangen, heißt es für uns: “Augen auf und durch.”
Da wir in ein paar Tagen nach Tirana zurückkehren, verstauen wir einen Teil unseres Gepäcks im ↠ Hostel Albania*, das praktischerweise von einem Deutschen betrieben wird. Müden Fußes zieht sich die Strecke zum Startpunkt des Kleinbusses zum Koman-Stausee dennoch. An Ort und Stelle brauchen wir eine Weile, um unseren Fahrer zu finden. Doch wir haben noch immer genügend Gepäck dabei, um als Touris erkannt zu werden: Irgendwann findet eben er uns und lässt uns einsteigen. Als einzige Fahrgäste.
Der Sonne entgegen
Auf dem Weg in den Norden Albaniens dauert es eine Weile, bis die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg über die Ausläufer des ↠ Prokletije und der Albanischen Alpen finden. John schläft inzwischen wieder. Ich hingegen kann in Bussen grundsätzlich nicht einfach so wegdösen. Heute will ich es auch gar nicht: Die Fahrt ist schließlich Teil der Reise. Es ist eine Wonne, wie das Sonnenlicht die Landschaft zu meiner Rechten Stück für Stück mit Farbe sprenkelt.
Gute drei Stunden sind wir unterwegs, um die Fähre zu erreichen, die uns auf dem Koman-Stausee nach Fierza schippern wird. Auf dem letzten Drittel der Strecke gewinnen wir auf dem Weg nach Osten bereits spürbar an Höhe. Wegen der Serpentinen liegt der Vau-Deja-Stausee, ein weiterer Stausee des Drin, mal zu meiner Linken, mal zu meiner Rechten. Er ist Vorbote dessen, was wir uns heute erträumen. Und nachdem wir ein paar Dutzend Mal kräftig durchgeschüttelt wurden, ist nicht nur auch John wieder wach, sondern auch der Koman-Stausee endlich in Sicht.
Ankunft am Koman-Stausee
Es dauert noch einmal eine Weile, bis die Fähre in Richtung Nordosten loslegt, wo sich die ehemalige Schlucht des Drin immer tiefer in die Albanischen Alpen schneidet. Bei einem Kaffee beobachten wir, wie gemächlich Auto um Auto an Bord fährt. Der Wasserweg ist angesichts der hinter uns liegenden Serpentinen wohl tatsächlich eine Zeitersparnis für Vierräder.
Einige Minuten später schließlich sind auch die Fußgänger an der Reihe. Nun sind wir bei Weitem nicht mehr die einzigen Reisenden, die heute über den Koman-Stausee gen ↠ Nationalpark Valbonatal aufbrechen. Die meisten von ihnen übernachteten wohl in Shkodra, dem am ↠ Skutarisee gelegenen städtischen Zentrum Nordalbaniens. Sie hatten mehr Schlaf als wir. Den tranceartigen Zustand, der uns bald nach der Abfahrt beglücken wird, werden sie wohl kaum mit uns gemeinsam erleben können.
Auf der Komani Lake Ferry
Ja, es brauchte eine Zeit, bis sich dieser Reisebericht seinem eigentlichen Thema widmet: dem Koman-Stausee. Doch das hat Gründe: Die Fährfahrt nach Fierza dauert zweieinhalb Stunden. Das bedeutet zweieinhalb Stunden Himmelblau auf Grün auf Türkisblau. Nicht besonders abwechslungsreich, doch für unsere Augen offensichtlich eine Farbkombination, die vergessen lässt, ob wir gerade hellwach sind oder tiefenentspannt den ausgebliebenen Schlaf der Nacht nachholen.
Der Bug der Fähre schickt winzige Wellen zu den beiden Ufern, die an den engsten Stellen der Schlucht gerade einmal 50 Meter voneinander entfernt sind. Nur ab und an sorgen kleine Inseln für etwas Spannung, blitzt ein schneebedeckter Gipfel des Prokletije in luftiger Höhe über den Hängen hervor. Teilweise scheint der Koman-Stausee zu mäandern. Wir schlängeln uns hindurch, bleiben gespannt auf das, was uns hinter der nächsten Kurve erwartet. Nur um auch dort durch das inzwischen altbekannte Bild zu schweben: Himmelblau auf Grün auf Türkisblau.
Von Perfektion und Plastikmüll
Künstlich erschaffen hin oder her, der Koman-Stausee könnte ein beinahe ekelhaft perfektes Aushängeschild für das Reiseland Albanien sein. Sein Zwilling, die gut 100 Kilometer entfernte ↠ Matka-Schlucht in Nordmazedonien, mauserte sich gar zu unserem 1 THING TO DO für Skopje. Doch insbesondere da, wo die Strömung nachlässt, zeigt der Koman-Stausee seine hässliche Fratze: dort, wo Türkisblau auf so ziemlich jede andere Farbe des Spektrums trifft. In Form von Plastikmüll.
Chipstüten, Joghurtbecher, Einkaufstüten, Colaflaschen: Teilweise scheint es, als würde der gesamte Müll der umliegenden Dörfer im Koman-Stausee landen. Inzwischen sollen täglich Müllboote verkehren, um der Masse an Plastikmüll Herr zu werden. Es müssten offenkundig noch viel mehr sein, um diese Plage auszulöschen. Da sind sie wieder, die zwei Gesichter, die uns in Albanien immer wieder begegnen. Wir hätten uns gut an diesen Trancezustand gewöhnen können. Stattdessen sind wir nun hellwach.
Übrigens: Unsere Fahrt auf dem Koman-Stausee bildet auch den Auftakt des Videos zu unserer Albanien-Reise!
Praktisches: Anreise zum Koman-Stausee
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln
- Auf der Webseite der ↠ Komani Lake Ferry findest du die wichtigsten Informationen zur Anreise. Die folgenden Angaben beziehen sich auf unsere eigenen Erfahrungen gepaart mit den Angaben der Webseite (Stand: Juli 2019).
- Wir kauften unser Ticket, indem wir den Betreiber:innen der Webseite eine E-Mail an kontakt[at]komanilakeferry.com schickten und daraufhin den entsprechenden Betrag überwiesen. Inzwischen gibt es auch ein Bestellformular samt Möglichkeit, per PayPal zu bezahlen.
- Hier findest du Details zum Transfer ab Tirana, Shkodra und Valbona – inklusive Treffpunkten. Es besteht auch die Möglichkeit, die Fährfahrt im Anschluss mit einem weiteren Transfer zu verbinden, sodass du etwa deine Reise von Tirana oder Shkodra via Koman-Stausee nach Valbona bequem vorab buchen kannst. Von Fierza (Endstation der Fährfahrt) aus fährst du dann erneut im Minibus nach Valbona. Teile dem Fahrer mit, wo sich deine Unterkunft im Nationalpark Valbonatal befindet, damit er dich dort aussteigen lassen kann.
- Fahrtzeit (Fähre): circa zweieinhalb Stunden
- Kosten für die Fährfahrt: sechs Euro pro Person (Online-Ticket)
- Reisezeit Tirana – Valbona: insgesamt etwa sieben Stunden
- Kosten für die Strecke Tirana – Valbona: 20 Euro (Online-Ticket, Fährfahrt inklusive, Abfahrt fünf Uhr morgens)
Mit dem Auto
Bitte beachte, dass aus unserer Sicht kein Bedarf besteht, die gesamte Strecke, insbesondere ab Fierza, auf vier Rädern zurückzulegen. Von Valbona aus starten zahlreiche Wanderungen in unterschiedliche Richtungen, sodass du nicht von A nach B fahren musst. Die beliebteste unter ihnen, die Strecke zwischen Valbona und ↠ Theth, ist obendrein kein Rundweg, sodass du sie zweimal wandern müsstest, um zum Auto zurückzukehren.
- Kosten für die Fährfahrt: sechs Euro pro Auto (zusätzlich zum Personenpreis)
- Shkodra – Fähre: circa 57 Kilometer (knapp zwei Stunden)
- Tirana – Fähre: circa 128 Kilometer (knapp drei Stunden)
- Fierza – Valbona: circa 44 Kilometer (etwa eine Stunde)
Auch in unserem einleitenden ↠ Albanien-Reisebericht beschreiben wir die zwei Gesichter, die uns im kleinen Balkanstaat an der Adria immer wieder begegneten. Ob wir die Fährfahrt auf dem Koman-Stausee dennoch empfehlen können? Ja. Verbunden mit der Hoffnung, dass der Tourismus zumindest in diesem Falle dabei helfen kann, dass Müllproblem in Zukunft zu lösen.
Reisen um zu reisen!
John & Marc