Tel Aviv Reisebericht

Tel Aviv Reisebericht: Wer hier sucht, findet nichts

Drei Reisen nach Israel brauchten wir, um in unserem Reisebericht über Tel Aviv ein 1 THING TO DO auszurufen. Früher waren wir nicht in der Lage, zwischen all den Eindrücken den einen zu benennen, der unsere Erlebnisse trefflich zusammenfasst! Das liegt auch daran, dass auf einer Reise nach Tel Aviv mangels klassischer Sehenswürdigkeiten das Lebensgefühl der Stadt im Mittelpunkt steht. Geschrieben von John.

Tel Aviv, erster Streich: Auftakt mit Hürden

Unsere erste Reise nach Israel war schon vor Beginn mit einer gewissen Aufregung verbunden. Nur wenige Wochen zuvor kam es 2014 schließlich zu gegenseitigen Bombardierungen zwischen Israel und Gaza-Streifen. Bis kurz vor Abflug war unklar, ob wir nach Israel fliegen würden oder nicht. Doch offensichtlich flogen wir.

Unser Quartier bezogen wir in einem klitzekleinen Schlafkämmerlein über dem ↠ Carmel Market (Shuk Ha’Carmel), dem größten und bekanntesten Markt der Mittelmeermetropole. Frisches Obst und Gemüse bekommst du hier genauso wie exotische Gewürze, die dich realisieren lassen, dass du dich tatsächlich im Orient befindest. Uns diente der Carmel Market vor allem als Frühstücksbuffet und Snacklieferant für zwischendurch – günstige Backwaren, Humus, Schawarma und Granatäpfel sei Dank. Auf allen drei Israel-Reisen werden wir immer wieder hierher zurückkehren.

Tel Aviv: Die Stadt als Strand

Dass das Apartment unserer ersten Reise nach Tel Aviv obendrein nicht weit vom Strand entfernt lag, ist ein Nobrainer: Von Nord nach Süd breitet sich Tel Aviv schließlich lang gestreckt am Mittelmeer aus. Weit entfernt sind seine Strände selten. Mal eben im Meer abkühlen, mit den Wellen auf und ab springen, das Salz an den Strandduschen abspülen – und zurück in die City. In Tel Aviv kein Problem. Mitunter scheint der Strand hier die Stadt zu sein.

Quasi als i-Tüpfelchen zeigen Tel Avivs Strände in Richtung Westen. Und so klingt sich Abend für Abend entspannt beim Sonnenuntergang über dem Meer und einem kühlen Getränk in der Hand aus. Wenn dir die Strandbars zu teuer, laut oder langweilig sind, kannst du dir natürlich auch in einem der zahlreichen Minimärkte etwas zu trinken kaufen und dich einfach an die Promenade setzen. Zum Beispiel am Charles Clore Beach in Richtung Jaffa, wo die Brandung dem Schauspiel das i-Tüpfelchen aufsetzt.

Jaffa: Das arabische Viertel von Tel Aviv

Wenn du dich an der Bauhaus-Architektur Tel Avivs sattgesehen hast und dich nach Altstadt und Orient sehnst, kommst du um einen Ausflug in den Stadtteil Jaffa ohnehin nicht herum. Jaffa ist quasi der arabische Teil von Tel Aviv und mit seiner über 5.000 Jahre alten Geschichte Ursprung der Weltstadt. Dabei haben wir inzwischen aufgehört zu zählen, wie oft wir schon am Abend nach Jaffa spazierten – und natürlich wieder zurück.

Für gewöhnlich zieht es Reisende hier zunächst durch historische Gassen hinunter zum alten Hafen Jaffas. So alt, dass einige sogar behaupten, es sei der älteste Hafen der Welt. Heute laden hier vor allem die Cafés und Ateliers zum gemütlichen Bummel ein, während blaue und weiße Planen über den Segel- und Ausflugsbooten im Wind rascheln.

Wenn auch Tel Aviv mal schläft

In Jaffa ist immer was los. Eigentlich. Das gilt jedoch nicht nur für den Hafen. Klassischer Touri-Fehler: Du spazierst durch die Altstadt zum Hafen und denkst, du hättest alles gesehen. Der eigentliche Trubel findet jedoch weiter “landeinwärts” statt, genau genommen in den unzähligen Bars, Restaurants und Imbissen rund um den Flea Market. Auf unserer ersten Reise nach Tel Aviv blieb uns diese Seite noch vollends verborgen.

Wir werden einmal, zweimal zurückkehren, um daran etwas zu verändern. Einmal werden wir im Winter zu Besuch bei einer Freundin sein und Jaffa zum einen deutlich geselliger kennen: Gleich am ersten Abend dieser Reise werden wir in der ↠ Shaffa Bar anstoßen, als plötzlich das gesamte Lokal ein Chanukka-Lied anstimmt. Wir werden weiterziehen in eine ohrenbetäubende Kneipe, in der Kommunikation unmöglich ist, und uns ein, zwei Flaschen israelisches Bier genehmigen.

Jaffa: Zwischen Streetart und Morgengebet

Zum anderen werden wir bei einem Spaziergang am frühen Morgen feststellen, dass selbst Jaffa mal einen Schönheitsschlaf braucht. Am Morgen sind die Jalousien der Bars und Boutiquen noch heruntergelassen, außer Putzkolonnen ist kaum eine Menschenseele zu sehen. Die Fassaden mal restauriert, mal “shabby”, möchte man laufend die Kamera zücken, um Streetart, eine schicke Tür oder auch mal einen Hahn auf dem Dach zu fotografieren.

So richtig Tag geworden scheint es dann nur an der Yefef Street, der Hauptstraße von Jaffa. In der beliebten Abouelafia Bakery solltest du mental besser nicht noch mit halbem Bein im Bett sein. Denn hier verschafft sich nur Gehör, wer drängelt. Abreagieren kannst du dich im Anschluss an der Al-Bahr-Moschee, unterhalb derer die Wellen des Mittelmeers auf die Skyline von Tel Aviv zusteuern. Und in den stillen Gassen der Altstadt hörst du nun schon mal ein gemeinsames Morgengebet.

Von Schabbat und jüdischen Feiertagen

Entgegen des weitläufigen Images, dass Tel Aviv niemals schläft, lernten wir die stille Seite der Stadt auch auf unserer ersten Reise kennen – allerdings in ganz anderer Hinsicht. Schon im Vorfeld deiner Reise solltest du an die Schabbat-Ruhe zwischen Freitag- und Samstagabend denken – und dabei auch die zahlreichen jüdischen Feiertage bei der Reiseplanung im Hinterkopf behalten. Besonders, wenn sie direkt an den ↠ Schabbat anschließen! 

Zum ↠ jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana etwa fanden wir Tel Aviv tagelang im Dornröschenschlaf wieder. Israel feiert das jüdische Neujahrsfest mit zweieinhalb Feiertagen, an denen, wie auch am Schabbat, keine Busse und Bahnen verkehren (mit Ausnahme arabische Sammeltaxen). Der Carmel Market? Geschlossen. Bars in Florentin? Geschlossen. Restaurants? Die wenigen, die offen waren, platzten aus allen Nähten.

Tipp: Mehr über den Schabbat, jüdische Feiertage und das Leben in Tel Aviv erfährst du in unserem Interview mit Naomi von Telavivnotes.com. Darin verrät sie dir auch ein paar persönliche ↠ Tel Aviv-Geheimtipps.

Achat, shtaim, shalosh: Aller guten Dinge sind drei

Wenig verwunderlich, dass wir Tel Aviv nach unserer ersten Reise mit dem Gefühl verließen, das Lebensgefühl der Stadt noch nicht richtig kennengelernt zu haben. Klar: Es ist vor allem der Spagat zwischen Ost und West, zwischen Religion und Liberalismus, der Tel Aviv einzigartig macht. Die Stadt wirkt jung, kreativ; versprüht eine Gelassenheit, die wir in Berlin manchmal vermissen. Doch irgendetwas fehlte.

Erst auf unserer dritten Reise nach Tel Aviv werden wir die Anfängerfehler abgelegt haben – und beginnen, die Dynamik der Stadt besser zu verstehen. Verzweifelten wir beim ersten Mal noch an Rooftop-Bars, die scheinbar nur noch auf Google Maps existierten, werden wir die Stadt dann endlich gut genug zu kennen, um nicht laufend genau die falschen Orte anzusteuern. Wir werden beginnen, ein Stück weit in Tel Aviv zu “leben”. Anlass dieser Reise wird übrigens die alljährliche Pride-Parade sein.

Tipp: In Tel Aviv findet alljährlich die größte Pride Parade des Nahen Ostens – wenn nicht Asiens – statt. Tel Aviv steht dann im Zeichen des Regenbogens, der rund um die Pride Week überall zu sehen ist. Die Pride Parade kündigt sich schon in den Tagen davor mit zahlreichen Partys an. Unser Höhepunkt jedoch war der erste Teil der Demonstration, zu dem noch keine Musik aus den Boxen schallt und die politische Botschaft – in dieser Region der Welt – am lautesten ist. Nicht vergessen: In praller Mittagshitze kannst du nicht zu wenig Wasser dabei haben!

Tel Aviv: Lebensgefühl im Gaumen

Tel Aviv, das aufgrund seiner jungen Geschichte kein allzu breites Potpourri an klassischen Sehenswürdigkeiten bietet, will eben anders entdeckt sein als Paris oder Barcelona. So wird es dann auch geschehen, dass wir unsere Standardroute zwischen Gordon Beach und Jaffa verlassen, um etwa im ↠ Kitchen Market am Old Port im “Alten Norden” der Stadt zu Abend zu essen. Die Preise auf der Karte haben es zwar – selbst für “Tel Aviver” Verhältnisse – in sich. Qualität und Raffinesse der Speisen aber auch (Reservierung unbedingt zu empfehlen).

Auch in Jaffa werden wir nicht mehr nur Altstadt und Hafen ansteuern, sondern uns direkt die Lokale rund um den Flea Market vornehmen. Am besten und vor allem geselligsten werden wir im ↠ Raisa speisen, wo die israelisch-orientalischen Klassiker besonders gut schmecken. Dazu ein Glas Wein, die warme Brise in tiefster Nacht, das niemals enden wollende Geplapper, Lächeln in allen Gesichtern. Auf unserer ersten Reise hatten wir Momente wie diesen noch verpasst. Vielleicht, weil wir sie gesucht haben. Aber in Tel Aviv sucht man nicht. Man findet.

Tel Aviv Reisebericht
Streetart auf dem Weg zum Kitchen Market am Old Port im Norden von Tel Aviv.
Tel Aviv Reisebericht
Abendessen im Raisa in Tel Aviv-Jaffa.

In Kürze: Unser 1 THING TO DO für Tel Aviv

Was? Ein Abendessen im Raisa.
Wo? Das Raisa befindet sich mitten im abendlichen Getümmels des Flea Markets von Jaffa in der Rabbi Yohanan Street 8.
Wie viel? Tel Aviv ist keine günstige Stadt, auch nicht in kulinarischer Sicht. Es lohnt sich, verschiedene Kleinigkeiten zu bestellen und zu teilen.
Warum? Um das Lebensgefühl Tel Avivs erahnen zu können – und nebenbei auch noch gut zu essen. Wobei: In Tel Aviv liegt beides manchmal nah beieinander.

Auf unserer zweiten Reise nach Israel entdeckten wir übrigens auch ein 1 THING TO DO für ↠ Silvester in Tel Aviv. Auf weitere jener besonderen Reisemomente stoßen wir außerdem in unserem ↠ Jerusalem-Reisebericht sowie in den malerischen ↠ Gärten der Bahai in Haifa. Beide Städte lohnen dank guter Zug- und Busverbindungen mindestens einen Tagesausflug ab Tel Aviv. Viel Spaß beim Stöbern!

Reisen um zu reisen!
John & Marc

Tel Aviv Reisetipps

Veröffentlicht oder inhaltlich überarbeitet am:


16 Antworten zu “Tel Aviv Reisebericht: Wer hier sucht, findet nichts”

    • Tausend Dank! 🙂 Im Sommer gibt es noch einen Bericht von uns aus Tel Aviv mit Fokus auf Jaffa, wo wir Silvester verbrachten. Dazu kommen dann Haifa, Masada sowie (noch mal) Totes Meer und Jerusalem!

  1. “…sich der Strand quasi direkt in der Stadt befindet. Oder anders: Er ist gewissermaßen die Stadt.” Damit habt ihr recht. das kenne ich sonst eigentlich nur von Rio. Selbst in Barcelona oder Sydney gibt es zwar Strand genug aber es spielt sich nicht das Leben dort gleichermaßen ab wie in Tel Aviv.

    • Das stimmt wohl… gerade Barcelona hat ja jahrelang quasi auch gut ohne seinen Strand gelebt, man hat eher weg vom Mittelmeer gelebt, nicht mit dem Wasser. In Tel Aviv ist der Strand ein bisschen die Seele der Stadt. Liebe Grüße! 🙂

  2. Wir waren lustigerweise auch im Herbst (eigentlich im Winter) 2014 in Tel Aviv 🙂 Und wir haben es geliebt!! So eine tolle Stadt 🙂 Da möchte ich am liebsten wieder gleich ins Flugzeug steigen…
    Liebe Grüße,
    Kathi

  3. Hi,
    euer Bericht über Tel Aviv macht echt Lust, diese Stadt – und diesen Strand – einmal zu erleben. Auf den Mix zwischen orientalischem Flair, freiem und lockerem Leben, verschiedenen Religionen und Kulturen und natürlich spannender Kunst und Architektur bin ich mega gespannt. Im April geht es los! Hoffentlich bleibt die Sicherheitslage mindestens so ruhig wie momentan.
    Viele Grüße aus Hamburg, Marianne

    • Danke dir! Wir träumen auch wirklich davon, eines Tages und möglichst schnell wieder vor Ort zu sein. In diesem Jahr stehen aber erst mal andere Dinge an. 🙂 Dir aber eine schöne Zeit da unten! Liebe Grüße nach Hamburg

  4. Das liest sich richtig toll. Und die Flüge ab Berlin sind sogar recht günstig.
    Vor allem die Sonnenuntergangsfotos sind richtig, richtig schön. Ich hoffe wirklich, dass sich die Sicherheitslage in der Gegend so weit bald mal so weit beruhigt, dass ich auch meine bessere Hälfte überzeugen kann 😉

  5. cool, ich will unbedingt mal nach Tel Aviv und nach Israel allgemein
    ich finde auch man sollte keine Angst davor haben dorthin zu reisen, es gibt dort so viel interessantes zu sehen
    lg

    • Wir können es nur empfehlen… ob man in kriegerischen Zeiten hinfliegen muss, sei dahin gestellt, aber wir zumindest fühlten uns jederzeit sicher.

      Liebe Grüße!

    • Ich las mal folgendes. Es war wieder zu einer Zeit, dass Bomben fielen und Raketen flogen. Trotzdem besuchte der Schreiber Israel. Er wurde am Flughafen vom Polizisten (?) gefragt, warum er in diesen Zeiten Israel besuchen wollte. Und er antwortete: Freunde halten in guten und in schlechten Tagen zusammen. Der Polizist ging mit Tränen in den Augen weg…

    • Die Sonnenuntergänge waren auch sowas wie unsere Highlights… aber wir sind uns sicher, dass in der Stadt noch mehr steckt als wir kennen lernen durften. 🙂

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