Slow Travel Definition

Slow Travel: Was bedeutet das wirklich?

Was bedeutet Slow Travel? Um diese Frage zu beantworten, versuchen wir uns auf Basis des Bestsellers Slow Travel – Die Kunst des Reisens an einer eigenen Slow-Travel-Definition, die wir mit ganz “langsamen” Erlebnissen und Zitaten anderer Reiseblogger:innen unterlegen. Am Ende des Artikels kannst du selbst testen, ob du ein Slow Traveller bist. Geschrieben von Marc.

Slow Travel nach Dan Kieran

Slow Travel Dan Kieran

Während mir Dan Kieran sein Verständnis über Slow Travel erklärte, befand ich mich im Zug von Berlin nach Dortmund. Ausgerechnet im Zug – jenem Verkehrsmittel, das Kieran als “Vater” aller Slow Traveller geradezu vergöttert. Seine Liebe für Bahnfahrten geht so weit, dass er eines Tages von London aus mit dem Zug nach Warschau reiste, um einer Hochzeit beizuwohnen. Obwohl er anschließend nur eine Nacht in Warschau verbrachte – und tags darauf wieder mit dem Zug nach London tuckerte.

“Dan Kieran, geboren 1975, ist ein englischer Reiseschriftsteller. Er schreibt für den Guardian, Telegraph, Observer und die britische Times. Zehn Jahre lang war er zusammen mit Tom Hodgkingson Herausgeber des Idler, einer monatlichen Zeitschrift für den Müßiggänger. Seiner Flugangst ist es zu verdanken, dass er neue Wege des Reisens erkunden musste.”

“Slow Travel – Die Kunst des Reisens”, Dan Kieran (2014)

Doch was genau ist Dan Kierans Verständnis von Slow Travel? Nachfolgend findest du eine Zusammenfassung seiner Slow-Travel-Bibel.

1) Reise nicht nur, um anzukommen

Dan Kieran
Dan Kieran

Hinter Kierans Vorliebe für Bahnfahrten steckt viel mehr als seine Flugangst: Zu Beginn des Buches geht es ihm allen voran darum, die Bewegung von einem Ort zum nächsten bereits als Teil der Reise zu begreifen. Im Zug kann er verfolgen, wie sich die vorbeisausende Landschaft kontinuierlich wandelt. Er sieht statt Reisenden im Flugzeug auch ganz normale Pendler:innen, die ihrem normalen Alltag nachgehen – und fühlt sich dabei kaum als Tourist.

Besonders eindrücklich blieb mir vor diesem Hintergrund Kierans Vergleich zwischen sich selbst und all jenen in Erinnerung, die besagte Hochzeitsfeier in Warschau mit dem Flugzeug statt im Zug erreichten:

“Ihre Reise war ein probates Mittel zum Zweck. Eine Unannehmlichkeit, die ertragen werden musste. Bei mir verhielt es sich anders. Mir gingen tausend Dinge durch den Kopf. Ich bewegte mich durch Bereiche meines Ichs, die ich gewöhnlich nicht bemerke, weil ich zu beschäftigt bin. Kein Teil von mir war mehr in London.”

Bereits die Wahl des Transportmittels beeinflusst Kierans Ansicht nach also, wie du eine Reise wahrnimmst und welche Auswirkungen sie auf dein Ich sowie auf die Wahrnehmung deiner Umwelt hat.

Slow Travel im Zug
Insbesondere während unserer ↠ Balkan-Reisen lernten auch wir das Transportmittel Zug zu schätzen.

2) Entdecke Altbekanntes neu

“Wandern ist eine Tugend, Tourismus eine Todsünde.”

Mit diesem Zitat des britischen Schriftstellers Bruce Chatwin macht sich Kieran eines Tages auf den Weg, das England vor seiner Haustür mit dem Rucksack zu erlaufen. Er ist davon überzeugt, dass die Geschwindigkeit, mit der du reist, die Erlebnisse unterwegs maßgeblich prägt – die Quintessenz seines Verständnisses von Slow Travel. Und tatsächlich: Auf seiner eintägigen Wanderung nimmt Kieran Dinge wahr, die er auf dem normalen Arbeitsweg über die Landstraße nicht mal erahnt hätte.

Slow Travel bedeutet für Kieran also nicht zwangsläufig, viel Zeit zur Erkundung zur Verfügung zu haben. Kieran gelingt es auf zwei Beinen, selbst eine Gegend neu zu entdecken, in der er seit Jahren zu Hause ist – und das innerhalb von weniger als 24 Stunden.

Slow Travel Deutschland
Unterwegs auf der ↠ Pfaueninsel in Berlin: Auch die deutsche Hauptstadt bietet uns eine Großzahl unentdeckter Schönheiten quasi direkt vor der Haustür.

3) Sei dein eigener Reiseführer

Eines meiner Lieblingskapitel in Slow Travel – Die Kunst des Reisens widmet sich den Reiseführern von heute – und spart dabei nicht an Kritik. Ich war ein wenig überrascht, wie Kierans Einstellung der unseren ähnelt. Als hätten wir klammheimlich bei ihm abgeschrieben:

“Dann kommen Sie zu einer Liste der Orte, die man ‘unbedingt gesehen haben muss’, damit die Reise kein Flop wird. […] Es dämmert Ihnen, dass der Reiseführer Ihnen nur Schuldgefühle vermittelt. Er ist voller Dinge, die Sie abhaken müssen, und Aufgaben, die zu erledigen sind und die Sie sowieso niemals schaffen werden.”

Dan Kieran bietet gleichzeitig eine Alternative zum klassischen Reiseführer. Er erzählt davon, wie er auf einer Reise nach Wien einige Bücher des 1881 ebenda geborenen Schriftstellers Stefan Zweig verschlang. Seine Werke vermittelten Kieran einen literarischen Einblick in die Stadt, wie sie einmal war – und vor allem darüber, wie sie geworden ist.

4) Heiße Katastrophen willkommen

“Eine Unannehmlichkeit ist ein fälschlich betrachtetes Abenteuer. Ein Abenteuer ist nur eine Unannehmlichkeit ins rechte Licht gerückt.”

Dieses Zitat des englischen Schriftstellers Gilbert Keith Chesterston fasst das folgende Kapitel des Bestsellers in aller Kürze zusammen. Dan Kieran beschreibt darin, wie er sich zusammen mit einem alten Freund aufmacht, auf der schottischen Insel Mull Seeadler zu beobachten. Kurz vor der Abreise werden die vor einem heftigen Wintersturm gewarnt. Sie machen sich dennoch auf den Weg – und als sie nachts auf Mull ankommen, ist die Stromversorgung auf der gesamten Insel komplett lahmgelegt. Was dem Abenteuer natürlich nur zusätzliche Würze bringt.

Heißt: Eine durchgeplante Reise ist schön und gut, vor allem effizient. Wirkliche Abenteuer und Reisegeschichten entstehen laut Kieran aber in der Regel erst dort, wo das Ungeplante und vielleicht auch das ganz und gar Ungewollte zur Triebfeder deiner Reise werden.

Juta Wandern Georgien
Keine wirkliche Katastrophe, aber definitiv ein Abenteuer war auch unsere Reise bei ↠ Juta in Georgien.

5) Folge deinem Instinkt

Slow Travel – Die Kunst des Reisens ist mehr als bloße Aneinanderreihung von Reisegeschichten. Du merkst bei der Lektüre permanent, welch reflektierter Autor zu dir spricht. Bestes Beispiel sind Kierans Exkurse in die Psychologie. Etwa nämlich dann, wenn er beschreibt, dass das wahre Reisen davon lebt, dass das Bewusstsein unser Handeln leitet – und nicht das Unterbewusstsein.

Im Alltag leben wir von und mit unserer Routine. Unser Bewusstsein befindet sich dabei lediglich im Standby-Modus, ein Großteil unseres Handelns geschieht automatisiert über das Unterbewusstsein. Auf Reisen hingegen sind wir ständig mit Neuem konfrontiert, sofern wir nicht das Alltägliche suchen. Oder wie Kieran es beschreibt:

“Der unterbewusste Autopilot, der den Alltag erledigt, wird ausgeschaltet, und das Bewusstsein übernimmt die Kontrolle.”

Beispiel Pauschaltourismus: Vor Ort musst du dich um so gut wie nichts kümmern und bewegst dich deshalb großenteils in ähnlichen Strukturen wie zu Hause. Das Bewusstsein aber wird kaum so angeregt. Oder Beispiel durchgeplante Individualreisen: Du klapperst eine Sehenswürdigkeit nach der anderen ab und hast am Ende doch das Gefühl, dein Reiseziel nicht wirklich kennen gelernt zu haben. Weil das Bewusstsein auch hier letztlich nicht genügend angeregt wird.

Slow Travel Europa
Beim ↠ Wandern in der Hohen Tatra hatte unser Unterbewusstsein mal so gar nichts zu melden.

6) Verliere deinen Kopf

“Die Touristen wollen ein Foto von einem Londoner Bus, einer roten Telefonzelle und dem Buckingham Palace, weil es beweist, dass sie dort gewesen sind. Häufig reicht es, ein Foto zu machen, und danach gehen wir zufrieden weiter. Aber tatsächlich sind wir kein bisschen über unsere vorgefassten Ansichten weitergekommen.”

Ein letzter Ausflug in die Psychologie: In diesem Kontext weist Dan Kieran darauf hin, dass unser Gehirn aus zwei Hälften besteht. Die linke Hälfte versteht “Dinge, die bewährt sind”, während die rechte Hälfte “möchte, dass wir offen für neue Ideen und neue Perspektiven sind”.

Er kritisiert am klassischen Tourismus, dass das Reisen dabei vor allem von der linken Gehirnhälfte gesteuert wird: Wir kaufen uns einen Reiseführer oder stöbern in Reiseblogs, um Dinge nachzuerleben, die uns andere vorschreiben und vormachen – die also bewährt sind. Seiner Meinung nach sollte uns auf Reisen jedoch stärker die rechte Gehirnhälfte leiten. Und damit die Lust nach neuen Entdeckungen, am Lernen, am Unbekannten.

Slow Travel Europa
Massen von Tourist:innen in Dubrovnik: Wie viele wohl nur hier sind, um die Drehorte von Game of Thrones zu sehen?

Unsere Slow-Travel-Definition

In Slow Travel – Die Kunst des Reisens stieß ich auf einige Impulse, die zum Nachdenken anregten. Wiederum aber auch auf manch andere, die mir etwas übertrieben schienen. Der folgende Versuch einer Definition von Slow Travel ist folglich ein Sammelsurium der Ideen, die mir bei der Lektüre in den Kopf schießen. Nur eben stark abgekürzt.

“Slow Travel ist eine Einstellung zum Reisen, bei der das Bewusstsein auf Reisen die Kontrolle übernimmt. Für Slow Traveller steht auf einer Reise die Offenheit für neue Entdeckungen im Zentrum, nicht die exakte Planung im Vorfeld. Das langsame Reisen zielt darauf ab, unterwegs den Prozess der Selbstfindung zu unterstützen und dabei eigene Erfahrungen zu machen – in Begegnung mit der Welt, aber auch mit dem eigenen Ich.”

Ein Hinweis zum Thema Nachhaltigkeit, mit dem Slow Travel häufig in Verbindung gebracht wird: In obiger Definition – auf Basis von Dan Kierans und meiner Gedankenspiele – spielt der ökologische Aspekt keine direkte Rolle. Indirekt aber schon, wenn du beispielsweise davon ausgehst, dass du eine Zugreise intensiver erlebst als eine Flugreise – und sie obendrein eben auch nachhaltiger ist.

Slow Travel Europa
Hier waren auch wir ziemlich langsam unterwegs: In Moldawien ging es, eher unfreiwillig, zu Fuß nach ↠ Orheiul Vechi.

Slow-Travel-Tipps von Reiseblogger:innen

Nach so viel Theorie geht es weiter mit der Praxis. Wie gelingt es uns, auf Reisen langsamer zu reisen? Wieso überhaupt eilen viele im Urlaub von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit? Und ist daran überhaupt etwas verwerflich? In unserer Blogparade zum Thema Slow Travel beschäftigten sich mehr als 40 bloggende Mitstreiter:innen mit dem Begriff und teilten ihre persönlichen Slow-Travel-Erfahrungen.

Vom Reisen durch Ghana per Tro-Tro, einer Begegnung mit Zuckerrohr-Farmern in Indonesien bis zum Plädoyer dafür, dass auch Fast Travelling seine Berechtigung haben kann, decken ihre Artikel einige überaus spannende Facetten unserer gemeinsamen Leidenschaft ab, dem Reisen um zu reisen. Und beinhalten obendrein den einen oder anderen Tipp, wie auch du zum Slow Traveller wirst – oder eben nicht.

Slow Travel ist bewusstes Reisen

Sabine vom Reiseblog Ferngeweht beschränkt sich beim Reisen immer nur auf ein Land, nimmt aber gern auch mal den Flieger, um voranzukommen. Das Handy bleibt dabei zu Hause. Slow Travel bedeutet für sie vor allem bewusst und ohne Hast zu reisen:

“Vier Länder in drei Wochen? In 20 Tagen um die Welt? Das ist alles nichts für mich. Wenn ich auf Reisen gehe, nehme ich mir vor allem eins: Zeit.”

Auch für Monika und Petar von Travel World Online ist Slow Travel eine Kunst. Denn so einfach ist es ihrer Meinung nach nicht, plötzlich aus der Hektik das Alltags auszusteigen und sich Zeit zu nehmen, das eigene Umfeld, die Menschen, denen man begegnet, und deren Lebensweise intensiv zu erfahren:

“Was ist Slow Travel? Man kehrt zurück zur ‘Grand Tour’, zu Reisen, die um des Entdeckens Willen gemacht wurden. Reisen um des Reisens Willen – nicht wegen des Ankommens.”

Slow Travel Alpen
Credits: Travel World Online

Was bedeutet Zeit auf Reisen?

Slow Travel bedeutet für Wibke von Sonnenstrahlenmomente die Freiheit zu haben, so lange wie man nur möchte an einem Ort zu verweilen. Es ist die Kunst, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen – auf die Reise an sich – und die Zeit einfach einmal Zeit sein lassen zu können:

“Wir leben in einer Zeit, die immer schnelllebiger wird. So ist es kaum verwunderlich, dass sich diese Schnelllebigkeit nicht nur in unserem Alltag auswirkt, sondern sich auch auf das Reisen überträgt.”

Claudia von Backpacking Hacks nähert sich dem Sinn von Slow Travel wie folgt: Reist du zu schnell, verlierst du schnell die Lust und bist ausgepowert. Ihre Empfehlung: Geh deine Weltreise lieber langsam an und reise in Echtzeit. So wirst du auch viel mehr um dich herum wahrnehmen und intensivere Erlebnisse machen:

“Kennst du diese Tage auf Reisen, wenn du abends im Bett liegst und dich nicht mehr richtig erinnern kannst, was du heute alles gemacht hast? Es war einfach zu viel.”

Slow Travel
Credits: Backpacking Hacks

Slow Travel zur Entschleunigung

Jasmin – umgedreht: Nimsaj, so auch der Name ihres Blogs – definiert in ihrem Artikel zunächst kurz den Begriff Slow Travel für sich selbst und beantwortet dann die Frage, ob sie, abgeleitet davon, ein Slow Traveller ist. Sie analysiert ihre Reiseanfänge und erzählt, wieso das Abklappern von Sehenswürdigkeiten für sie keinen Sinn mehr hat:

“Man muss nicht immer in die tollsten Restaurants, zu den coolsten Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen, die im Reiseführer stehen oder die Reiseblogs empfehlen.”

Chrissies Beitrag auf Perspektiven wechseln ist durch sehr persönliche Erfahrungen mit anderen Reisenden geprägt. Er setzt sich mit unserer punktuellen Wahrnehmung auseinander, wie sie zum Beispiel durchs Fliegen gefördert wird, und soll auffordern, die Welt ganzheitlicher zu betrachten:

“Unabhängig davon, wie man sich letztlich fortbewegt oder für welche Art des Reisens man sich entscheidet, sollte das Erleben im Mittelpunkt stehen. Manchmal ist weniger einfach mehr.”

Ist Slow Travel in fernen Ländern nur mit langen Auszeiten möglich? Muss man sich überhaupt auf eine Reiseart festlegen? Das sind Fragen, mit denen sich Helga von Travelstory.ch beschäftigt:

“Das langsame Reisen ist in unserer gestressten Alltagswelt ein kleiner Rettungsanker. Die Vorstellung, einfach mal ohne Bucket List loszulaufen, ist verlockend und bietet eine unerwartete Leichtigkeit. Slow Travel klingt nach Wellness-Ferien.”

Slow Travel
Credits: Travelstory.ch

Wieso sollte “Fast Travel” Sünde sein?

Für Monique von Äquilibrist sind Reisen heute häufig eher Zeitstrahl-Lauf als Zeichen für Gelassenheit. Eher Quantität als Qualität. Sie stellt sich die Frage: Ist das vielleicht eine Folge unserer Zeit?

“Ich gehöre wohl nicht zur Spezies der Slow Traveller. Als ich den Slow-Travel-Test von 1 THING TO DO gemacht habe, hätten sie mich wohl aus der Fünfzigerzone gepickt.”

Alternativen zum Flugzeug

Am Flugzeug scheint im 21. Jahrhundert kein Weg vorbeizuführen, wenn es ums Reisen geht. Die wenigsten jedoch nehmen die Zeit im Flugzeug als wirkliche Reisezeit wahr: Man fliegt von A nach B, doch im Mittelpunkt steht das Ankommen, nicht das Reisen selbst. Muss das sein? Ganz und gar nicht! Einige Blogger:innen berichteten uns von alternativen Fortbewegungsmitteln auf Reisen – wobei wir gerne noch das Fahrrad ergänzen.

Zugreisen als Zeitgeschenk

Das Reisen im Zug ist nicht nur eine Leidenschaft von Slow-Travel-Ikone Dan Kieran. Auch Tobias berichtet in seinem Weltschaukasten davon, wie er die Reisezeit im Zug zu genießen weiß. Ob in Frankreich, in Amerika, in Japan – stundenlang sitzt er im Zug. Ein Zeitfresser? Nein, ein Zeitgeschenk:

“Ich staune. Auf jeder Bahnfahrt. Ich beobachte, wie sich das Land verändert. Bin gefesselt von dem, was da geschieht. Felder, Wälder, Berge, das Meer. Alles hängt zusammen, organisch. Grenzen bleiben bloß Illusion.”

Slow Travel Europa
Credits: Weltschaukasten

“Slow Sailing”: Drei Plädoyers

In ihrem Artikel beschreibt Svenja von Windwellen die Atmosphäre einer sechswöchigen Einhand-Segelreise. Das Seegebiet ihres Törns – die “Dänische Südsee”, der Hauptinsel Fünen vorgelagert – war sehr klein. Aber doch groß genug, um sich vom Wind mit durchschnittlich elf Kilometer Tagesdistanz umhertreiben zu lassen und das Herz sechs Wochen lang mit Sonne zu fluten:

“248 Seemeilen werden es am Ende. Etwa 450 Kilometer. Ein Pappenstiel – echte Segelhelden absolvieren das in vier Tagen. Oder weniger. 450 durch 40. Ich segelte also etwa elf Kilometer am Tag. Langsamer als jeder Fußgänger.”

Getreu dem Motto “Umwege erweitern die Ortskenntnis” von Tucholsky geben Claudia und Jonathan von Radiopelicano in ihrem Artikel einen Einblick in ihr Leben auf dem Segelboot an der Karibikküste Panamas. Und denken dabei über die ungeplanten Schlenker und Schnörkel in ihrem Reiseverlauf nach:

“Entschleunigung und intensiveres Entdecken von Natur und Kultur anderer Länder war immer unser Ziel. Das geht nur, wenn man länger an Orten verweilt, Freundschaften schließt, Gespräche führt, einen Blick hinter die Kulissen werfen kann, ein Auge für die Details entwickelt.”

Für unsere Blogparade zum Thema Slow Travel versuchte sich Sebastian von Segeln ist Leben an einem ganz neuen Begriff der Fortbewegung auf Reisen, dem Slow Sailing. Er macht deutlich, dass Geschwindigkeit auf Reisen nicht alles ist. Das betrifft in seinem Falle bereits die Wahl des Segelboots:

“Es reizt mich nicht am schnellsten irgendwo zu sein. Ich bin gerne auf dem Wasser. Warum also sollte ich so schnell wie möglich in den nächsten Hafen oder den nächsten Ankerplatz wollen?”

Slow Travel Deutschland
Credits: Segeln ist Leben

Slow Travel mit Kanu, Wohnmobil – und auf zwei Beinen

Slow Travel ist für WoMolix ein missverständlicher Begriff. Er ist der Überzeugung, dass mit Slow Travel nicht unbedingt langsames, sondern vielmehr achtsames Reisen gemeint ist. Die Geschwindigkeit, mit der man reist, ist ihrer Meinung nach abhängig von der individuellen Disposition der Reisenden und sollte sich ihrer jeweiligen physischen und psychischen Verfassung anpassen. Seine Erfahrung zeigt:

“Mit einem Wohnmobil lässt sich die Welt recht komfortabel dem eigenen Rhythmus folgend erkunden. Die fremdbestimmten Abhängigkeiten sind, so unsere Erfahrung, bei keiner anderen Reiseform so gering wie beim Reisen mit dem Wohnmobil.”

Marianne von Alleine Reisen Jetzt erzählte uns von einem beeindruckendem Erlebnis mit der Natur, bei dem sie auf zwei Beinen eine neue Sicht auf das Leben bekam:

“Definitiv die spirituellste und tiefgehendste Erfahrung war eine sechsstündige Wanderung mit einem Aborigine, Evan, durch das Gebiet seines Clans in den Blue Mountains.”

Lars’ Beitrag zu unserer Blogparade war der erste Tagebuch-Artikel über seine mehrtägige Solo-Kanutour auf der Ruhr, über die er auf larsvegas@cologne schreibt. Anfangs war sein Vorhaben keine “ungeplante” Reise. Doch wenn du auf dem Wasser unterwegs bist, lernst du seiner Erfahrung nach schnell, dass der Fluss das Tempo bestimmt – und nicht du selbst!

“Für mich bedeutet Innehalten vor allem Bewegung, so paradox das auch klingen mag: Ich kann nicht nichts tun! Denn dann überschattet die Panik vor dem Zeitverlust jegliche Bemühung, mich auf mich selbst zu konzentrieren.”

Slow Travel Deutschland
Credits: larsvegas@cologne

Slow-Travel-Reiseberichte aus aller Welt

Viele Reiseblogger stellten in ihrem Beitrag zur Blogparade Slow Travel in der Praxis in den Vordergrund – in Form atmosphärischer Reisegeschichten. Die Bandbreite ihrer Slow-Travel-Reiseberichte ist auch unter den folgenden Artikeln riesig und reicht vom gemütlichen Innehalten im italienischen Café bis zum Herzschlagmoment in der afrikanischen Wildnis.

Langsam reisen in Asien

Manja von ecotravelmania erzählt dir in ihrem Artikel, wie sie zum Slow Traveller wurde, und wieso Slow Travel inzwischen ihre Leidenschaft ist. Angefangen hat ihre persönliche Slow-Travel-Geschichte vor etwa zehn Jahren, als sie im Rahmen eines Uni-Projekts für vier Monate nach Thailand reiste:

“War schon mal jemand in Thailand im Kino? Vor jedem Film wird die Königshymne gespielt und alle stehen auf! Sowas kennt man von hier nicht, und man erlebt es nur, wenn man nicht nur auf der Jagd nach Sehenswürdigkeiten ist.”

Simone vom OutZeit Blog hat das langsame Reisen in Indonesien für sich entdeckt. Zum Thema Slow Travel gehören für sie drei Dinge: ein Alltag mit schönen Urlaubsgewohnheiten, Stammlokale zum Wohlfühlen und Genießen, der Lifestyle des Urlaubslandes. All das führt für sie zu dem einen Ziel auf Reisen: Feeling home away from home!

“Für 14 Tage 12.000 Kilometer ans andere Ende der Welt, oder eine fremde Stadt erkunden in 48 Stunden. Dabei inhaliert man oft unzählige Eindrücke, für die man eigentlich gar keine Zeit findet, sie richtig zu verarbeiten und zu genießen.”

Die Welt entdecken, das heißt für Andrea von Anwolf auch sich selbst zu entdecken. In ihrem Artikel zu unserer Slow-Travel-Blogparade erklärt sie dir, wie Laos ihr den Spiegel vorgehalten hat. Vor allem aber ist sie der Meinung, dass Slow Travel weh tut:

“An die eigenen Grenzen zu stoßen, schmerzt! Aber das Gefühl, diese Grenzen ein Stück überwunden zu haben, ist befreiend und heilsam. Das sollte Reisen ausmachen: Indem ich die Welt entdecke, entdecke ich mich selbst.”

Slow Travel Asien
Credits: Anwolf

Slow Travel auf Europäisch

Wolfgang ist kein ganz Unbekannter bei uns: Der meistgereiste Deutsche verriet uns in einem Interview bereits sein 1 THING TO DO für die Welt. Der Ländersammler bereiste alle 193 UN-Staaten. Kann man auf diese Art und Weise überhaupt langsam reisen?

“Wir haben als Reiseführer das Standardwerk von Petrich im Gepäck, und der steigt tief ein in die Geschichte von Rom. So tief, dass meine liebe Frau nach 14 Tagen das Handtuch wirft. Ich solle sofort gestehen, ob ich mich dem Besichtigungsstress, dem wir uns seit zwei Wochen unterwerfen, noch weiter beugen möchte.”

Tobias’ zweiter Artikel zu unserer Slow-Travel-Blogparade trägt den passenden Titel Durchatmen. Das Setting: Siena im Regen. Nein, Tobias will nicht noch ein Museum, nicht noch eine Kirche besichtigen. Sein Reisebegleiter zieht mürrisch weiter, doch Tobias setzt sich in ein Café, trinkt Cappuccino und Wein – und lässt das Treiben an sich vorbeiziehen:

“Mit stillem Genuss blicke ich über die Piazza del Campo, sehe Einheimische wie Besucher. Die einen rennen, ihre Jacken über den Kopf gezogen, als dürftiger Schutz, nicht nass zu werden. Ein hilfloses Unterfangen. Andere tragen bunte Regenschirme vor ihren Gesichtern, gegen den Wind. Ich atme tief durch.”

Slow Travel Europa
Credits: Weltschaukasten

Gemach, gemach in Ozeanien

Melbourne wurde mehrfach zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt. Doch bekommt man als “Tourist” überhaupt etwas davon zu spüren? In seinem Slow-Travel-Bericht aus Melbourne berichtet Igor von 7 Kontinente von seinen Eindrücken, von wechselnden Gefühlen und Lebenszufriedenheit:

“Das Verhältnis von mir und Melbourne war nicht von Beginn an berauschend. Am Anfang war ich fast schon enttäuscht, weil mir die Stadt irgendwie nichts von dem geboten hat, nach dem ich gesucht habe. Dennoch wurde es immer besser. Oft vergessen wir, worauf es beim Reisen tatsächlich ankommt: Leben.”

Chris berichtet unter anderem vom langsamen Reisen in Neuseeland und möchte dabei nicht bestreiten, dass die Nesting Nomads auf ihren ersten Reisen Listen mit im Gepäck hatten. Aber schon damals ergab es sich, dass die besonderen und einprägsamsten Momente immer dann eintraten als sie einen Gang runter schalteten:

“Als wir 2006 zum ersten Mal auf eine längere Reise aufbrachen, hatten wir Listen für alle drei Länder, für einzelne Regionen und Städte und so weiter. Schon bei unserem ersten Stopp in Thailand wurde uns schnell klar, dass das nichts wird mit dem Abhaken: Sobald es uns irgendwo gefiel, blieben wir erstmal eine Weile hängen.”

Slow Travel Neuseeland

Was hältst du vom langsamen Reisen? Stimmt du mit unserer Slow-Travel-Definition überein? Hinterlasse uns gerne einen Kommentar unter diesem Artikel! Noch mehr Inspiration zum Thema Slow Travel bekommst du übrigens in der zweiten Auswertung unserer Blogparade zum ↠ langsamen Reisen.

Reisen um zu reisen!
John & Marc

Slow Travel

Veröffentlicht oder inhaltlich überarbeitet am:


13 Antworten zu “Slow Travel: Was bedeutet das wirklich?”

  1. Ich wurde bei euerem Test als “Medium Speed Traveler” (genau 25 %) klassifiziert und bin damit zufrieden. Ein Slow Traveller nach Dan Kierans Definition will ich nicht sein. Bei ihm schlägt mir das Pendel der Ignoranz von “Sehenswürdigkeiten abhaken” zu sehr nach “keinerlei Vorbereitung” aus. Sympathisch bei Kieran finde ich allerdings den kompletten Verzicht auf Flugreisen.
    Wieviel mehr erlebe ich aber in einem Land, von dessen Kulinaria ich einige gezielt bestelle, in einem Biotop, von dessen Kräutern ich mir einen Tee koche, auf einer Burgruine, deren Gruselgeschichten ich kenne, von den ganzen kulturhistorischen Zusammenhängen mal ganz zu schweigen, undsoweiter undsofort. Je mehr ich über eine Gegend weiß, umso mehr kann ich entdecken, treiben lassen kann ich mich trotzdem.
    Lustig, dass unter den wenigen Fotos Eueres Beitrages einige meiner Lieblingsgegenden sind: Berlin-Brandenburg, die Slowakei und Moldova. Viele Grüße

    • Schön, dass der Test immer noch ab und an benutzt wird!

      Die völlige Nicht-Vorbereitung auf eine Reise ist im heutigen Zeitalter unserer Meinung ohnehin Utopie. Wer fährt schon irgendwo hin, wovon er oder sie noch nie zuvor gehört hat? Manchmal ist es eine Doku im Fernsehen, ein Artikel in einer Zeitschrift, ein Social-Media-Posting etc., die/der/das einem schon ein geringes Maß an Vorbereitung mitgeben. Dennoch sind wir der Meinung, dass das Abhaken von Sehenswürdigkeiten noch kein Reisen macht. 😉

      Was du weiter unten beschreibst, ist aber auch sympathisch. Viele vergessen, wie viel man auch in einer einzigen Region erleben kann, je besser man sie kennenlernt. Das ist ja Slow Travel, wie es im Buche steht. Man kann wohl auch alle Länder der Welt bereist haben, ohne die Welt zu kennen.

      Liebe Grüße!

  2. Schön, deinen Blog entdeckt zu haben! Das Buch “Slow Travel” ist schön längere Zeit Inspiration und Bestätigung für unsere Art zu reisen.

    • Schön, dass du uns entdeckt hast! Ist auch wirklich eine sehr erstrebenswerte Form des Reisens… Liebe Grüße

  3. Ein tolles Buch! Inspirierend fand ich besonders die kleinen Spaziergänge, die der Autor mit seiner zweijährigen Tochter unternimmt und sie sagt, wo es lang geht. So erlebt er die Welt mit ganz anderen Augen, aus dem Blickwinkel eines Kindes. Als alles noch aufregend und neu ist.

    So fühle ich mich oft auf Reisen, wenn ich wieder über ganz alltägliche Dinge staunen kann. Alles ist dann viel intensiver. Dabei kommt es nur auf den eigenen Blickwinkel an. Jeder Tag könnte so aufregend sein, es liegt an einem selbst.

    • Das stimmt – mit Kinderaugen sieht man die Welt eben ganz anders, und wenn man die Kinder Kind sein lässt auf Reisen, kann man dadurch sicherlich vieles erleben, das man sonst niemals bemerkt hätte. Kinder lassen sich treiben, weil sie eben von Dingen wie To-Do-Listen im Kopf oder dem Druck, irgendetwas sehen zu müssen (außer vielleicht Disneyland und Co.), noch weit entfernt sind…

  4. Im Großen und Ganzen kann ich Eurer Definition folgen.

    Slow Travel ist eine Einstellung zum Reisen, — ja, 100%ig einverstanden

    bei der das Bewusstsein auf Reisen die Kontrolle übernimmt. — ja, die Steuerung obliegt dann der Intuition.

    Für Slow Traveller steht auf einer Reise die Offenheit für neue Entdeckungen im Zentrum, nicht aber die Planung im Vorfeld. — ja, 100%ig einverstanden

    Das langsame Reisen zielt darauf ab, unterwegs den Prozess der Selbstfindung zu unterstützen und dabei eigene Erfahrungen zu machen – über die Welt, aber auch über das eigene Ich. — ja, 100%ig einverstanden

    Dennoch würde ich nicht von langsamen, sondern vom “Achtsamen Reisen” sprechen. Dann relativiert sich die absolute Reisegeschwindigkeit zu einer relativen Geschwindigkeit. Damit meine ich eine möglichst niedrige Diskrepanz zwischen Achtsamkeitsvermögen des Reisenden und seiner Wahrnehmungs- und Reflektionsgeschwindigkeit.

    Klingt akademisch, aber je länger ich darüber nachdenke…

    Nur so ist der Reisende überhaupt in der Lage sein 1thingtodo überhaupt zu erkennen. Andernfalls rauscht es an ihm vorbei und er merkt es nicht einmal! 😉😉😉😉😉

    Freue mich auf eure Auswertung der Blogparade..

    LG WoMolix

  5. Hallo Marc,
    wieder mal ein klasse Beitrag! Man liest derzeit in der ‘Szene’ ja bekanntlich sehr viel von und über dieses Buch. Allerdings habe ich bisher noch keinen Beitrag gelesen, der sich ähnlich intensiv und fundiert mit dem Werk als solches beschäftigt. Meist geht es da eher um die persönlichen Ansichten. Dank deines Beitrags weiß ich aber jetzt wenigstens mal worum es geht! Dafür besten Dank! Ich habe es im Gegenzug in mein weekly reading aufgenommen. 😉
    Beste Grüße und frohe Ostern euch beiden,
    Mario

  6. Einfach klasse dieser Beitrag! Ich bin ja der Meinung, dass die Welt “auf Schusters Rappen” entdecken, die beste Art zu reisen ist. Man kommt halt nur nicht weit oder man braucht sehr, sehr viel Zeit.
    Kann man bei euch nicht mehr “gefällt mir” klicken? Ich sehe auch keine andere Kommentare mehr.

    Ich lese eure Beiträge immer wieder gerne und freue mich über jeden! Herzlichst Sigrid

    • Danke vielmals für das Lob!

      Wenn du bei WordPress.com angemeldet bist, solltest du über den Reader in der Lage sein, uns Likes zu geben. Diese werden nur in der Tat nicht mehr unter den Artikeln angezeigt, weil wir auf WordPress.org umgezogen sind. Kommentare solltest du aber eigentlich lesen können…

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