Paris Reisebericht

Paris Reisebericht: Rendezvous mit einem weißen Elefanten

Eigentlich wollte John dir dieses Mal von einem 1 THING TO DO aus Paris erzählen. Eine Flasche Wein im Sonnenuntergang vor der Sacré-Cœur? Eine Flasche Wein im Sonnenuntergang vorm Eiffelturm? Ziemlich unkreativ, dachte er sich, und trat die Aufgabe verzweifelt an mich ab. Und ich? Ich erinnere mich in unserem Paris-Reisebericht an ein Rendezvous mit einem weißen Elefanten. Geschrieben von Marc.

Auf Rilkes Spuren durch Paris

Vor inzwischen acht Jahren hatte ich im Deutsch-Leistungskurs die Ehre, Bekanntschaft mit einem der großen deutschen Dichter zu machen – Rainer Maria Rilke. So richtig funkte es nicht zwischen uns. Teilweise hatte ich gar das Gefühl, seine Lyrik immer dann besser zu verstehen, wenn ich die Verse rückwärts las. Wer hätte gedacht, dass ich eines Tages freiwillig ausgerechnet eines seiner Werke wähle, um selbst in einen Text einzuleiten?

Lange Rede, kurzer Sinn. Ich präsentiere: Einen Auszug aus “Das Karussell” von meinem neuen Busenfreund Rainer.

Mit einem Dach und seinem Schatten dreht
sich eine kleine Weile der Bestand
von bunten Pferden, alle aus dem Land,
das lange zögert, eh es untergeht.
Zwar manche sind an Wagen angespannt,
doch alle haben Mut in ihren Mienen;
ein böser roter Löwe geht mit ihnen
und dann und wann ein weißer Elefant.

Kindheit, Unbekümmertheit und Leichtigkeit sind die Begriffe, die mir “Das Karussell” heute vermittelt. Das Land, “das lange zögert, eh es untergeht”, so scheint es mir, steht für die Jugend, deren Sterblichkeit sich die Mädchen und Jungen auf dem Karussell noch nicht bewusst sind. Wir hingegen, die erwachsenen Beobachter:innen des kindlichen Treibens, sind uns dieser Endlichkeit im Klaren.

Wir mussten uns längst eingestehen, dass der Begriff der “ewigen Jugend” – ob wir es wollen oder nicht – mehr Wunsch ist als Realität. Wir können uns jung fühlen, können mit der Zeit gehen. Doch dieser positiv naive Blick auf das Leben, die Unbekümmertheit und Leichtigkeit der Kindheit, sie sind uns verloren gegangen. Wir können uns noch immer auf das Karussell setzen, uns als Kind fühlen, aber niemals wieder Kind sein.

Rilkes Karussell und mein Paris-Reisebericht

“Was hat all das mit einem Paris-Reisebericht zu tun?”, magst du dich an dieser Stelle fragen. Die Antwort: Uns Rainer verfasste “Das Karussell” im Jahre 1906 während seiner Schaffensperiode in der französischen Hauptstadt. Der beschriebene Kreisel ist dabei kein Produkt seiner lyrischen Fantasie, sondern geht auf wahrhaftige Eindrücke seiner Selbst beim Anblick eines Karussells im Jardin du Luxembourg zurück.

Im Luxemburggarten wiederum hielt ich bereits dreimal Einkehr, und damit – wie es der Zufall will – auf jeder meiner bisher drei Parisreisen. Er ist damit Dreh- und Angelpunkt in unserem Paris-Reisebericht. Während meines ersten Besuchs blieb mir der Garten kühl und kahl in Erinnerung. Kein Wunder, denn es war Januar – und das einzige Grün waren die Rasenflächen, deren Farbe die kalte Jahreszeit überdauerte. Rund um das zentrale Wasserbecken jedoch fielen mir schon damals Dutzende Stühle auf, die mich erahnen ließen, dass dieser Ort an warmen Tagen ein anderes Ambiente besitzen würde.

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Der Jardin du Luxembourg bei meinem zweiten Besuch: Hier kommt Sommerstimmung auf!

Ein drittes Mal im Luxembourg

So kam es, dass ich vor kindlicher Neugier den Jardin du Luxembourg auch während meiner nächsten Reisen nach Paris besuchte. Das letzte Mal im Mai 2014, als ich Frankreichs Kapitale zusammen mit John erneut entdeckte. Am frühen Vormittag setzten wir zu einer neuerlichen Stippvisite im Luxembourg an. Im Schlepptau eine Freundin, die damals noch in Paris lebte und uns die Stadt aus ihrer Sicht vorstellte.

Ich erinnere mich daran, dass dieser Park ein anderes Paris zeigte, als man es als Tourist:in zumeist präsentiert bekommt. Nein, der Luxembourg war nicht menschenleer, auch Reisende scharten sich hier zuhauf. Doch sein mediterranes Flair versprühte eine gänzlich andere Atmosphäre als beispielsweise der Champ de Mars rund um den Eiffelturm oder der Vorplatz der Cathédrale Notre-Dame de Paris.

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Abendstimmung auf dem Champ de Mars vorm Pariser Eiffelturm.

Alles und nichts in Paris

Beim Verfassen meines Paris-Reiseberichts erinnere ich mich auch an die ergrauten Boule-Spieler, die sich weniger ihren silbernen Kugeln widmeten als dem tagtäglichen Plausch “de tout et de rien”, über alles und nichts, wie man in Frankreich sagt. Ich erinnere mich an eine etwa 20 Köpfe zählende, jugendliche Sportgruppe, die unweit davon entfernt in der Vormittagssonne gehörig das Schwitzen gelehrt bekam.

Ich erinnere mich außerdem, wie uns nicht allzu wohl dabei war, diese sportliche Aktivität zu beobachten, während wir uns Baguette und Käse in die Mäuler stopften. Natürlich erinnere ich mich ebenso daran, dass der Anblick unzähliger Jogger:innen unserem so flauen wie erfüllten Bauchgefühl sein Übriges tat.

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Unser Picknick im Jardin du Luxembourg mit gar nicht stereotypen französischen Lebensmitteln.

C’est la vie – à Paris!

Der Jardin du Luxembourg war für uns jedoch vor allem Ort der Gelassenheit und Stille. Auf den im Winter noch leeren weißen Stühlen klappten die Menschen reihenweise ihre Bücher auf oder nutzten die Ruhe, um in florierender Umgebung mit dem Laptop zu arbeiten.

Genüsslich flanierten Einheimische und Reisende jeglichen Alters und jeglicher Nationalität zwischen dem prächtigen Palais du Luxembourg, dem Sitz des französischen Senats, und den mehr als 100 verstreuten Statuen im Park, darunter Beethoven und Chopin, Stendhal und Flaubert. Dazwischen erfreuten sich Kinder an den Irrwegen ihrer kleinen Segelboote, die sie genüsslich auf dem Wasserbecken vor dem Palais kreisen ließen. Eine neuerliche Begegnung mit diesem Land, das lange zögert, eh es untergeht!

Gedankenkarussell

Vor allem aber erinnere ich mich, wie wir drei inmitten dieses sanften Trubels palavernd das gemächliche Treiben beobachteten. Für gute zwei Stunden hatten wir unsere Decke ausgebreitet und ließen bei einem ziemlich stereotypen Picknick mit Baguette, Käse, Butter und Marmelade die Welt im Kleinen an uns vorbeiziehen. Wir ließen die Gedanken kreisen beinahe so als wären sie Rilkes Karussell.

Inmitten dieser atemlosen Stadt, unweit organisierter Touritruppen, geschäftiger Büromenschen und fleißiger Studierender, legte Paris im Jardin du Luxembourg eine Pause ein. Egal ob Kasperle-Theater oder Schachspiel, Boule oder Basketball, Tennisplatz oder Kaffeegarten – auf 26 Hektar schienen hier alle nach ihrer Façon glücklich zu sein, sorgenlos zu sein. Und hier und da, so munkelt man, begegnet selbst der vernünftigste Erwachsene im Luxembourg einem weißen Elefanten. Dann und wann.

Paris-Reisebericht: Unser 1 THING TO DO

Was? Ein Picknick im Jardin du Luxembourg mit anschließender Erkundung der Parkanlage.
Wo? Der Jardin du Luxembourg befindet sich im Quartier Latin. Die nächste RER-Station heißt Luxembourg (RER B), die nächste Métro hält an der Station Odéon (Linie 7 oder 10).
Wie viel? Je nach Appetit. Glücklicherweise gehören Baguettes und Käse zu den erschwinglichen Lebensmitteln in Paris.
Warum? Um im Pariser Stadttrubel einmal durchzuatmen, die Gedanken kreisen zu lassen – und einmal nicht nur andere Tourist:innen zu sehen.

Bei aller Liebe zu unserem weißen Elefanten sind wir uns sicher, dass wir eines Tages vielleicht ein neues 1 THING TO DO für Paris entdecken werden. Bist du länger in Frankreich unterwegs? Dann sind vielleicht auch die Entdeckungen auf unserem ↠ Südfrankreich-Roadtrip von den Pyrenäen über Montpellier bis nach Toulouse was für dich.

Reisen um zu reisen!
John & Marc

Paris Reisebericht

Veröffentlicht oder inhaltlich überarbeitet am:


8 Antworten zu “Paris Reisebericht: Rendezvous mit einem weißen Elefanten”

  1. Der Jardin du Luxembourg ist auch mein 1thingtodo in Paris. Definitiv der Ort, an den ich jeden Paris-Frischling schleppe. (Dicht gefolgt: “Shakespeare and Company” sowie der Wochenmarkt an der Bastille) – aber an den Luxemburgergarten erinnere ich mich immer wieder gern und gut… übrigens auch an ein “Rasen betreten verboten”-Schild genau an der Ecke, wo ihr picknickte.
    Ist aber schon eine Weile her. Und ich kann mich irren.
    😉

    • Haha. 😀 Sehr schön, dass du unser 1 THING TO DO teilst! An dieser Stelle war sehr wahrscheinlich kein “Rasen betreten verboten”-Schild (mehr), aber in der Tat gibt es diese. “Unsere” Wiese war auf jeden Fall stark frequentiert! 🙂

    • Wir hatten ja zugegebenermaßen auch so unsere Probleme, aber der Jardin du Luxembourg war rückblickend schon eine gute Wahl. 🙂 Liebe Grüße!

  2. Hey,
    wenn ich nur zwei Stunden Zeit in Paris hätte, würde ich definitiv nirgendwo anders hingehen als in den Jardin du Luxembourg. Ich würde mich auf einen der hellgrün lackierten Metallstühle setzen und Blumenbeete anschauen, Menschen beobachten und träumen. Ohne Baguette, Käse und Wein. Lieber würde ich mir einen völlig überteuerten Espresso und ein Eis am Kiosk kaufen. Wenn ich zwei Tage in Paris hätte, würde ich am Anfang und am Ende einmal in den Jardin du Luxembourg gehen. Dazwischen Museé d’Orsay, Bastille Viertel und Place du Vosges…. oh je , ich gerade ins Schwärmen.
    Viele Grüße von Marianne
    alleinereisenjetzt.wordpress.com

  3. ach, wie oft ich damals am Brunnenrand saß und meine Boote über das Wasser getrieben habe … definitiv einer der schönsten Plätze in Paris!

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