Wandern Georgien Mestia

Wandern in Georgien: Von Mestia nach Tsvirmi

Unsere erste Wanderung in Georgien war eine perfekte Einführung in die Tücken des Kaukasus. Zweimal fanden wir uns inmitten georgischen Dschungels wieder. Orientierungslos machten wir beim Wandern bei Mestia unfreiwillig Bekanntschaft mit Hunderten Grashüpfern. Unsere Tageswanderung von Mestia nach Tsvirmi zeigte: Die Bergwelt Georgiens ist ein Abenteuerspielplatz erster Güteklasse. Geschrieben von Marc.

Ankunft in Tsvirmi

Als wir in Tsvirmi ankommen, sind die anfänglichen Turbulenzen unserer ersten Wanderung in Georgien für kurze Zeit vergessen. Wie sollte es auch anders sein an einem Ort, an dem abseits befestigter Straßen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint? Einzig ein paar Schilder, die den Weg zu einfachen Guest Houses weisen, zeugen davon, dass Tsvirmi ein Dorf im Hier und Jetzt ist.

Beim Wandern hinab ins Tal begegneten wir soeben zwei älteren Einheimischen mit ihren Kühen, die auf rostigem Gerät frische Heuballen nach unten karrten. Weiter unten ist Tsvirmi umringt von grünen Feldern, auf denen Obst und Gemüse für den eigenen Bedarf angebaut wird. In den Gassen, teilweise von Rinnsalen überlaufen, treffen wir auf Hühner, Schweine, Kühe. Eine beinahe mittelalterliche Szenerie, doch der hiesige Lebensstil wird in großen Teilen wohl auch die nächsten Jahrzehnte überdauern.

Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Blick über Tsvirmi: Die markanten Wehrtürme als Verteidigungsanlagen einzelner Familienverbände sind typisch für Oberswanetien.
Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Mindestens vier Wehrtürme sind noch heute in Tsvirmi erhalten. Ihre Errichtung wurde vielerorts aus dem Prinzip der Blutrache abgeleitet.

Mestia: Hauptstadt Swanetiens

Seit fünf Stunden wanderten wir bereits durch ↠ Swanetien, als sich die ersten Wehrtürme von Tsvirmi unseren Augen zeigten. Gestartet sind wir in ↠ Mestia, Hauptstadt der nur rund 15.000 Einwohner:innen zählenden historischen Region in Nordwesten Georgiens und auf 1.400 Metern über dem Meeresspiegel gelegen.. Im Gegensatz zu Tsvirmi ist Mestia jedoch bereits im Hier und Jetzt angekommen.

Rund um den zentralen Sveti Square in Mestia scharen sich stets gut besuchte Restaurants und Cafés. Es gibt ein paar Hotels und noch viel mehr Pensionen und Gasthäuser. Der Tourismus scheint in Mestia allerdings etwas zu schnell angekommen zu sein. Die Restaurants halten der Nachfrage oftmals nicht stand. Auch die Speisekarten sind manchmal eher als Orientierung zu verstehen. Doch wer kann schon erwarten, dass hier bestimmte Lebensmittel zu jeder Zeit vorhanden sind? Zugdidi, die nächste Großstadt, ist drei bis vier Stunden Autofahrt über eine serpentinenreiche Straße entfernt.

Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Mestia ist der meistbesuchte Ort in der georgischen Region Oberswanetien sowie Startpunkt für ein- und mehrtägige Wanderungen durch den Kaukasus.
Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Blick auf Mestia beim Wandern auf der Serpentinenstraße in Richtung Hatsvali-Seilbahn.

Von Mestia zur Hatsvali-Seilbahn

Gemessen an den Abenteuern, die uns in Georgien noch erwarten werden, ist die Wanderung von Mestia nach Tsvirmi ein Klacks. Selbst unseren persönlichen Höhenrekord haben wir auf dieser Wanderung nicht geknackt. Höchster Punkt war der Mentashi, mit 2.451 Metern kleiner als ↠ Bobotov Kuk in Montenegro und ↠ Rysy in der Hohen Tatra. Wenn dir beim Wandern einige paar steile Auf- und Abstiege sowie die äußerst überschaubare Beschilderung nichts ausmachen, kannst du dich also getrost auf den Weg machen, von Mestia kommend das aus der Zeit gefallene Tsvirmi zu entdecken.

Mestia verließen wir am frühen Morgen in südlicher Richtung und wanderten zunächst entlang einer Serpentinenstraße in Richtung ↠ Hatsvali-Seilbahn. Nach gescheiterten Tramping-Versuchen hielt schließlich ein Taxi an, in dem wir ein italienisches Pärchen kennenlernten. Eine lautstarke Diskussion über den aus Sicht des dem Russischen mächtigen Italieners wucherhaften Fahrpreis beendete die Fahrt. Wir steuerten unterwürfig unseren Teil bei, hörten den erbosten Fahrer noch etwas von “policja” murmeln und flüchteten uns auf die sichere Seilbahn.

Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Unsere Tageswanderung von Mestia nach Tsvirmi begann am südlichen Ende der größten Stadt Oberswanetiens.
Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Schon auf der Serpentinenstraße von Mestia zur Hatsvali-Seilbahn wandern wir steil bergauf – ohne allzu viele Ausblicke auf die Umgebung.

Wandern in Georgien: Dschungelprüfung, die erste

Die Hatsvali-Seilbahn bei Mestia ist gut in Schuss und endet auf ungefähr 2.300 Metern. Oben angekommen, liefen wir vorbei an den knalligen Blüten von Herbstzeitlosen in Richtung Mentashi, dem höchsten Punkt der ↠ Zuruldi-Kette über Mestia. Umringt von schneebedeckten Gipfeln in allen Richtungen wechselten sich kleine Wälder und Wiesen ab. Es dauerte seine Zeit, um zu realisieren, in welch sagenhafter Kulisse wir bereits am ersten vollen Tag unserer Kaukasus-Reise unterwegs waren.

Vor und nach dem Mentashi galt es in Richtung Tsvirmi auf jeweils ziemlich steilen Pfad etwa 150 Höhenmeter weitere zu überqueren. Doch die erste wirkliche Herausforderung lauerte erst nach dem Gipfel. Offensichtlich waren wir an einer Wegkreuzung falsch abgebogen und fanden uns plötzlich im georgischen Urwald wieder. Da die nächste Wiese jedoch bereits durch das Dickicht schimmerte, ließen wir uns nicht vom “Weg” abbringen und kletterten in Ranger-Manier einen bewucherten, überaus brüchigen Abhang hinab. Gefolgt von Zeckenkontrolle und Entlaubung.

Hatsvali Seilbahn Mestia
Bei gutem Wetter erhaschst du vor der Hatsvali-Seilbahn bei Mestia einen flüchtigen Blick auf den Uschba.
Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Ausblick vom Gipfel des Mentashi auf Tsvirmi, dem Ziel unserer ersten Wanderung in Georgien.

Auf Umwegen von Mestia nach Tsvirmi

Nach dem mittlerweile gewohnten Wechsel von Wald und Wiesen fanden wir schließlich den – vermeintlich – richtigen Weg von Mestia nach Tsvirmi wieder. Auf steil abfallender Weidefläche setzten wir uns abwechselnd auf den Allerwertesten und zogen uns gegenseitig an den Beinen ein Stück nach unten. Eine Szene, wie sie Heidi und Peter nicht besser vormachen könnten.

Inmitten der Bergidylle rief uns jedoch plötzlich eine Gruppe Einheimischer nach, die am Hang mit der Heuernte beschäftigt war. So richtig wollten wir sie zunächst nicht für voll nehmen, meinten wir doch gerade erst den wahrhaftigen Weg nach Tsvirmi wieder gefunden zu haben. Doch nachdem das Gebrüll immer lauter wurde, gaben wir klein bei. Mit Händen und Füßen wurden wir gewarnt, den gewählten Pfad weiterzugehen – und folgten schließlich dem Appell. Zu gerne würden wir wissen, was uns auf diesem Pfad wohl widerfahren wäre!

Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Wandern in Georgien: Auf dem Weg vom Mentashi nach Tsvirmi wechselten sich Wiesen und Haine ab.
Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Heuernte zwischen Mentashi und Tsvirmi – und irgendein Insekt hat es auch aufs Foto geschafft.

Von Tsvirmi zum Ughviri-Pass

650 Meter unterhalb des Mentashi finden wir uns schließlich in Tsvirmi wieder, wo so wenig passiert und doch hinter jeder Ecke eine urige Überraschung lauert. Im Schatten eines uralten Hauses säugt eine Sau ihre Ferkel. Am Wegesrand grasen Schafe. Hinter einem Zaun schaut ein scheues Kalb mit neugierigen Augen in unsere verschwitzten Gesichter. Wir werfen einen Blick in verlassene Häuser und entdecken bäuerliche Gerätschaften. Tsvirmi wirkt auf uns wie ein Freilichtmuseum, das doch mitten im Leben steht.

Um zurück zu unserer Unterkunft zu gelangen, folgen wir nicht den Schildern nach Mestia, das wir – auf anderer Strecke als zuvor – sonst erst in der Nacht erreichen würden. Stattdessen wandern wir weiter nach Osten in Richtung Zhabeshi, wo wir am Ughiviri-Pass hoffentlich ein Auto anhalten können, das uns auf befestigter Straße zurück nach Mestia bringt – oder zumindest in dessen Nähe.

Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Am Ortseingang von Tsvirmi sticht die pittoreske Bezaunung ins Auge, die Felder und Schotterpiste voneinander trennt.
Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Ein Hauch von Kleintierzoo in Tsvirmi: Eine Sau stillt ihre Kinder.

Dschungelprüfung, die zweite

Die Beschilderung in Tsvirmi jedoch ist nicht der Rede wert. Noch im Dorf spaltet sich der Weg der Wahl in zwei Richtungen auf – ohne weitere Hinweise. Wir biegen nach links ab und stampfen nach 15 Minuten auf das Ende der Schotterstraße zu, die an einem Zaun zu einem Hof hin abschließt. Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg: 150 Meter links von uns erspähen wir einen weiteren Pfad in Richtung Osten. Um diesen zu erreichen, wandern wir querfeldein über eine saftig grüne Wiese. Bei jedem Schritt springt ein Dutzend Grashüpfer auf, von denen es sich ein paar auf unseren Füßen und Waden gemütlich machen.

Der neue Weg ist erneut ein kleines Spektakel für sich. In Georgien ist es keine Besonderheit, wenn eine Piste einfach mal durch ein Rinnsal verläuft – oder umgekehrt. Von überall scheint das Wasser seinen Weg in die Täler zu suchen. Doch auch dieser Pfad löst sich irgendwann auf und weicht kaum wahrnehmbaren Reifenspuren im Gras, die erneut in verschiedene Richtungen verweisen. Wer möchte uns hier ein Schnippchen schlagen?

Tipp: Mit mehr Erfahrung wären uns diese “Dschungelprüfungen” erspart geblieben, weshalb wir an dieser Stelle gerne auf unsere ↠ Wander-Tipps für Anfänger verweisen. Beim Wandern in Georgien waren wir ohne Offline-Karten unterwegs und empfehlen, vorab zum Beispiel die ↠ MAPS.ME-Karten für Georgien herunterzuladen.

Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
An dieser Stelle am Rande von Tsvirmi galt es, links abzubiegen und querfeldein zum nächsten Pfad in Richtung Ughviri-Pass zu gelangen.
Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Wandern in Georgien: Es könnte ein Weg sein. Es könnte aber auch nur eine Laune der Natur sein.

Dschungelprüfung, die dritte

Wir entscheiden uns für eine der möglichen Strecken und hören nach einigen Wiesen und Buschwäldern bereits erste Autos über den Ughviri-Pass sausen. Doch mal wieder endet unser Weg mitten im Nichts. Wir wenden die Taktik des Vormittags an und kämpfen uns Meter für Meter durch das dichte, teils dornige Gebüsch. Immer wieder schmettern mir die Zweige ins Gesicht, die John vor mir beiseite drückt. Als die Nerven langsam blank liegen, sehen wir ein, dass es keinen Sinn hat – und kehren um.

Auf ein Neues also. Wiesen. Gebüsch. Wiesen. Gebüsch. Bis plötzlich die altbekannten Reifenspuren im Gras schimmern und wir irgendwie auf eine Schotterpiste gelangen. Am Wegesrand haben es sich drei Männer gemütlich gemacht und laden uns auf einen Becher Bier aus einer Zwei-Liter-Plastikflasche ein. Sie schickt der Himmel. Wir stoßen an und müssen doch ihr Angebot ausschlagen, uns nach Mestia zu fahren. Unsere Verzweiflung ist noch nicht groß genug, um einen viel zu hohen Preis für ihren Shuttle-Service zu zahlen.

Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Es könnte ein Weg sein. Es könnte aber auch ein Bach sein. Auf diesem Pfad verließen wir Tsvirmi, dessen Dächer im Hintergrund zum Abschied winken.
Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Wo die georgischen “Wanderwege” teilweise enden, zeigt dieses Bild. Vorsicht – könnte piksen!

Per Marschrutka zurück nach Mestia

Am Ughviri-Pass halten wir Einkehr in einem Lokal am gleichnamigen See – Zivilisation! – und bringen unseren Wasserhaushalt wieder auf Normalpegel. Wir haben es geschafft! Unsere ersten Eindrücke beim Wandern in Georgien machen bewusst, dass uns im Kaukasus wohl Herausforderungen erwarten werden, die wir so noch nicht erlebt hatten. Doch wir nehmen sie an. Und sind bereit für mehr.

Nach kurzer Zeit halten wir eine Marschrutka an, die uns für einen Spottpreis zurück nach Mestia fährt. Entlang des wild hinab rauschenden Mestiachala geht es zurück zu unserer Homebase. Der Fahrer ist sich für kein halsbrecherisches Manöver zu schade. Urplötzlich jedoch tritt er auf die Bremse und zeigt aus dem Fenster. Die Wolken rund um den ↠ Uschba, 4.737 Meter hoch, haben sich für kurze Zeit aufgelöst. Mit dem Riesen wollen wir am nächsten Tag auf Tuchfühlung gehen. Es soll unser bislang größtes Abenteuer in luftiger Höhe werden.

Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Der kleine Ughviri-See liegt an einem Lokal am gleichnamigen Pass, wo du dich nach langer Wanderung mit Getränken eindecken kannst.
Mestia Wandern Tsvirmi Georgien
Es grüßt der Uschba: Irgendwo da oben werden wir uns am zweiten Tag unserer Kaukasus-Reise herumtreiben.

Wandern in Georgien: Unsere Route von Mestia nach Tsvirmi

Für die Strecke von Mestia nach Tsvirmi und wieder zurück nach Mestia – teilweise per Marschrutka – brauchten wir inklusive aller Irrungen und Wirrungen gute acht Stunden. Eine ungefähre Wegbeschreibung gibt es hier sowie auf ↠ Wikiloc und auf ↠ Caucasus Trekking.

  • Mestia verließen wir in südöstlicher Richtung. Eine Brücke führt am Ortsrand über den Mestiachala zur Serpentinenstraße in Richtung Hatsvali-Seilbahn.
  • Nach rechts abbiegen. Die Asphaltstraße zur Seilbahn ist wenig anschaulich. Es empfiehlt sich daher zu trampen oder wie wir ein Taxi anzuhalten, um Zeit zu sparen.
  • Oben angekommen wanderst du in östlicher Richtung weiter in Richtung Mentashi. Als höchster Gipfel entlang des Kamms ist dieser kaum zu verfehlen.
  • Vom Mentashi aus führt ein steiler Weg hinab. Entlang des Bergkamms wanderst du weiter durch Wiesen und Wälder, bis du eine weite Lichtung erreichst und dich entweder bereits auf dem richtigen Weg befindest oder weiter unten einen Pfad erspähst. Von hier aus ist Tsvirmi bereits in Sicht. Eine Schotterpiste zweigt in Richtung Südosten zum Dorf hinab ab.
  • In Tsvirmi selbst weist ein Schild den Weg nach Mestia und Zhabeshi. Den Ughviri-Pass erreichst du in Richtung Zhabeshi bzw. Osten. Von hier aus schlugen wir uns irgendwie in Richtung Straße durch, auf der du zurück nach Mestia trampen kannst.

Ein paar Eindrücke unserer Tageswanderung von Mestia nach Tsvirmi bekommst du auch im Video zu unserer ↠ Kaukasus-Reise durch Georgien, Aserbaidschan und Armenien zu sehen (ab 2:20 Minuten).

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

PGlmcmFtZSBzcmM9Imh0dHBzOi8vd3d3LnlvdXR1YmUtbm9jb29raWUuY29tL2VtYmVkL1ItckhjdTVEWVBRP2NvbnRyb2xzPTAiIGZyYW1lYm9yZGVyPSIwIiBhbGxvd2Z1bGxzY3JlZW49ImFsbG93ZnVsbHNjcmVlbiI+PC9pZnJhbWU+

Unser 1 THING TO DO für Mestia entdeckten wir erst auf unserer zweiten Wanderung in Georgien, die uns über die ↠ Koruldi-Seen in Richtung Chaaladi-Gletscher führte und unsere persönlichen Grenzen neu definierte. Zu weiteren – nicht minder ereignisreichen – Wanderungen in Georgien starteten wir später außerdem in ↠ Kazbegi und ↠ Juta.

Reisen um zu reisen!
John & Marc

Mestia Wandern

Veröffentlicht oder inhaltlich überarbeitet am:


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert