Berliner, ledig, 27 Jahre alt, besucht Kloster Altzella. Im Rahmen einer Reise durch die Schlösser, Burgen und Gärten Sachsens lernte ich meine alte Heimat noch einmal von anders kennen. Zwischen Glanz und Gloria historischer Fassaden blieb mir ein beschauliches Einod besonders in Erinnerung: das Kloster Altzella. Geschrieben von Marc.
Stille Dunkelheit auf Kloster Altzella
Stille. Dunkelheit. Nur ich, mein Herzschlag, mein Kopfkissen. Kein Straßenlärm wie daheim in Berlin. Nicht mal das Zirpen von Grillen, die die Nacht zur Konzertprobe nutzen. Nur ich, mein Herzschlag, mein Kopfkissen. Dunkelheit. Stille.
Ich schließe meine Augen. Doch so richtig macht es keinen Unterschied, ob ich die Augen geöffnet oder geschlossen halte. Alles ist schwarz. Nur langsam, ganz zaghaft gewöhnen sich meine Sinne an die Dunkelheit. Nur langsam, ganz zaghaft mischt sich in die Dunkelheit das goldene Schimmern des schwachen Mondlichts. Doch an der Stille ändert das nichts.
Kloster Altzella und das Hörspiel meiner Selbst
In meinem spartanisch eingerichteten Zimmer auf Kloster Altzella – ein Bett, ein Nachttisch, ein Stuhl, ein Tisch – lasse ich die vergangenen beiden Tage meiner Reise durch Sachsen Revue passieren. Meine Gedanken beginnen, die Stille um mich ein wenig zu brechen. Wie ein Hörbuch, von mir selbst gesprochen.
Früh morgens machte ich mich gestern mit dem Zug auf nach Dresden. Ich besichtigte den Zwinger, den ich ob der Scharen anderer Tourist:innen noch nicht voll und ganz schätzen lernen konnte. Besichtigte den ↠ Barockgarten Großsedlitz mit seiner gepflegten, auf strenge Linien ausgerichteten Parkanlage und seinen lieblichen Orangeriehäuschen. Besichtigte ↠ Schloss Wackerbarth am 2015 wärmsten Ort Deutschlands, dessen Weißweine – und Glühweine – mir immer wieder ein Stück Sachsen nach Berlin holen.
Sachsen und die Lust auf Ragout fin
Heute dann fuhren wir nach Rochlitz, einem Städtchen an der Zwickauer Mulde, das ich zuvor noch nie besucht hatte. Und das, obwohl es gerade einmal 20 Kilometer von meinem Heimatdorf entfernt liegt. Seltsam eigentlich, und doch zeigte mir das dortige Schloss erneut, weshalb wir nicht immer in die Ferne schweifen müssen, um zu reisen. Eine so moderne Ausstellung in historischen Gemäuern hätte ich hier nicht erwartet. Reisen ist Kopfsache, kein Kilometerzählen.
Im Blümchencafé auf ↠ Schloss Rochlitz bestelle ich ein Ragout fin. Kindheitserinnerungen. Als ich es auf dem Menü laß, blieb mir keine andere Wahl, als mich über die Theke zu beugen und um ein “Raggefäng” zu beten. Allein schon, um es endlich wieder über die Lippen zu bringen! Eine Leibspeise aus “Ostzeiten” mit französischem Namen, der nur auf Sächsisch richtig zur Geltung kommt. Köstlich.
“Raggefäng, Raggefäng, Raggefäng…” – Die Hörspielplatte in meinem Köpf beginnt zu springen. Zeit, auf Pause zu drücken und die ungewohnte Stille auf Kloster Altzella für ein paar erholsame Stunden Schlaf zu nutzen. Nur ich. Mein Herzschlag. Mein Kopfkissen.
Szenenwechsel: Die ganze Stadt in meinem Bett
Straßenlärm! Autolichter! Kein sanftes Nichts wie auf Kloster Altzella, in der ich die letzten beiden Nächte verbrachte.
Ich bin zurück in Berlin. Und während ich gefühlt gerade ganz Berlin in meinem Bett habe, lege ich noch einmal die Hörspielplatte auf, die zurückblickt auf meine Tage in Sachsen. Heute Morgen schlenderten wir im ↠ Schlosspark Pillnitz, kicherten über die kleinen Wachteln im grünen Palmenhaus. Erstarrten vor Ehrfurcht, als wir erfuhren, dass große Teile der Anlage 2002 vom Elbehochwasser erfasst wurden. Den Tag ließen wir schließlich in der Dresdner Neustadt ausklingen, bevor es mit dem Zug zurückging in die Hauptstadt. Eine Reise voller Erlebnisse. Doch was bleibt?
Erdung auf Kloster Altzella
Zwischen Glanz und Gloria der sächsischen Geschichte, zwischen den Vermächtnissen August des Starken und renommierter Gartenkünstler, blieb mir ein Kleinod besonders in Erinnerung: das beschauliche Kloster Altzella mit seiner einfach gehaltenen ↠ Klosterherberge. Inmitten von Deutschland erlebte ich hier Momente der Stille, wie ich sie zuletzt mit John beim ↠ Wandern in der Hohen Tatra erlebte.
Damals waren wir im Hochgebirge umringt von weißen Wolkenschwaden, die Zivilisation in weiter Ferne. Kloster Altzella ließ mich inmitten der sächsischen Provinz gleichermaßen durchatmen. Obwohl das ehemalige Zisterzienserkloster schon seit 1540 nicht mehr für seinen ursprünglichen Zweck genutzt wird, ließ mich die schlichte und friedvolle Aura von Kloster Altzella in Minutenschnelle innehalten.
Kloster Altzella historisch
Zwischen 1175 und 1540 entwickelte sich das heute unter dem Namen Altzella bekannte Kloster zu einem der bedeutendsten Klöster in Mittelsachsen. In der Spitze lebten hier bis zu 250 Mönche zurückgezogen und umringt von der 1,3 Kilometer langen Klostermauer, die noch heute gut erhalten ist. Mit der Reformation begann jedoch der jahrhundertelange Verfall von Kloster Altzella: Teile der Gebäude wurden abgetragen und dienten gar als Baumaterial für ein kurfürstliches Jagdschloss. Ein Brand im Jahre 1599 segnete das Schicksal der einstigen Klosteranlage weiter.
Erst 1798 wurde das Areal von Kloster Altzella mit neuem Leben erweckt und die Ruinen in einen englischen Landschaftspark eingebettet. Der Klosterpark entwickelte sich zu einem Sinnbild der Romantik, selbst Caspar David Friedrich fand hier im ländlichen Sachsen das eine oder andere verträumte Motiv. Seit 2013 wächst und gedeiht ein liebevoll gestalteter Kräutergarten im Klosterpark Altzella und erweckt damit einen weiteren Teil des mittelalterlichen Erbes zu neuem Leben.
Kloster Altzella, ich komme wieder!
Insgesamt verbrachte ich bislang nur zwei Nächte in der Herberge von Kloster Altzella verbringen. Und trotzdem entwickelte sich die spartanische Unterkunft in Verbindung mit den romantischen Details der umgebenden Parkanlage zu einem meiner Lieblingsorte in Sachsen. Ich liebte es, inmitten der Ruinen von Kloster Altzella durchs feuchte Gras zu stapfen, mich zwischen altehrwürdigen Bäumen zu verlieren, im Kräutergarten den Sonnenuntergang zu verbringen.
Und ich bin mir sicher: Bei meinem nächsten Besuch wird sich die stille Kraft dieses einsamen Fleckchens Erde noch mehr entfalten. Dann, wenn ich noch mehr Gelegenheit haben werde, die Parkanlage und ihre Umgebung aufzusaugen. Dann, wenn der sanfte Mondschein wieder meine Augenlider streichelt und ich in die Stille der Nacht entschwebe.
Update: Kräuterkochkurs auf Kloster Altzella
Tatsächlich habe ich noch einmal auf Kloster Altzella Station gemacht – und die historische Anlage aus einem anderen Blickwinkel erlebt: Bei einem ↠ Kräuterkochkurs unter Leitung von Kräuterfrau Koreen Vetter. Koreen führte uns zunächst in die Kräutergarten, wo wir nicht nur die Kräuter für unser Drei-Gänge-Menü pflückten, sondern auch Wissenswertes über die Vielfalt der Kräuter in hiesigen Gefilden erfuhren. Natürlich nicht ohne Kostprobe im Kräutergarten von Kloster Altzella – und drumherum, wo Wiesen und Sträucher ebenfalls überraschende Zutaten für den nächsten Kochabend bereithielten.
Weitere Reisetipps für den Freistaat an der Elbe findest du in unseren ↠ Ausflugszielen für Sachsen. Ganz in der Nähe von Kloster Altzella befindet sich übrigens das ↠ Muldental, in dem ich meine Kindheit und Jugend verbrachte, dessen landschaftliche und kulturelle Reize ich aber erst vor Kurzem wirklich zu schätzen lernte. Viel Spaß beim Stöbern!
Reisen um zu reisen!
John & Marc
9 Antworten zu “Kloster Altzella: Stille statt Techno”
Hallo Marc,
ein richtig toller Beitrag und grandiose Bilder! Insgesamt finde ich euren Blog sehr schön und inspirierend.
Auch auf den Aktiv Blog Sachsen (blog.frischluft-sachsen.de) gibt es eine Menge über Sachsen zu erfahren, insbesondere zum Thema: Aktiv in Sachsen. Vorbei schauen lohnt sich 🙂
Wenn Du die stille liebst und gerne alte, verfallene Gebäude ansiehst, dann kann ich dir das Elsass wärmstens ans Herz legen. Da gibt es viel
Gefällt mir alles sehr gut, möchte aber gern auf einen kleinen Fehler hinweißen. Durch Rochlitz fließt die Zwickauer Mulde ( nicht Freiberger ). Sollte vielleicht doch noch korrigiert werden.
LG Stefan Weber
Vielen Dank, das haben wir natürlich sofort verbessert. 🙂 Liebe Grüße!
Hallo lieber Marc,
was für ein schöner Bericht und ich bekomme immer mehr Lust, mal ein paar Tage in absoluter Abgeschiedenheit, Ruhe und Stille zu verbringen. Dass ihr beiden den “Osten” so schön “präsentiert” ist klasse. Ich als im Westen Geborene war ja nun schon mindestens fünf Mal im Osten und mir hat es immer sehr gut gefallen. Wenn alles klappt, bzw. das Wetter mitspielt, werden wir im September mit einem WoMo den Osten erkunden! Inzwischen lese ich eure Beiträge. Liebe Grüße von ☼Sigrid☼
Vielen Dank, liebe Sigrid! Dann wünschen wir euch schon mal gutes Wetter – die Septembersonne meint es meistens gut mit uns. 🙂
Schöne Aussichten 🙂
Moin, Kloster Altzella hatte ich noch nie gehört, klingt aber nach einem wirklichen Ort der inneren Einkehr, werde ich bestimmt mal machen. Danke für den Tipp.
Hamburger Grüße
Marianne Alleinereisenjetzt.wordpress.com
Danke dir! Berliner Grüße zurück 🙂