Jerusalem Reisebericht

Jerusalem Reisebericht: Abendmahl mit dem Muezzin

Jerusalem ist eine Herausforderung. Hin und wieder begeht man in der heiligen Stadt schon mal einen religiösen Fauxpas. Und wo jeder Stein Geschichte geschrieben zu haben scheint, fällt es schwer, das eine Erlebnis herauszupicken, das in Erinnerung bleibt. Doch fündig wurden wir, auch wenn du für unser 1 THING TO DO etwas Geduld mitbringen musst. Geschrieben von Marc.

Mit dem Bus von Tel Aviv nach Jerusalem

Bereits in den frühen Morgenstunden machten wir uns während unserer ersten Israel-Reise auf den Weg von ↠ Tel Aviv nach Jerusalem. Auch wenn es im Urlaub naturgemäß schwer fällt, das Bett vor sieben Uhr am Morgen zu verlassen: Jerusalem als “Heilige Stadt” dreier Weltreligionen wollte schließlich möglichst intensiv an einem Tag begutachtet werden.

Unser Jerusalem-Reisebericht startet so in Tel Aviv, genau genommen am einst größten Busbahnhof der Welt, der trotz oder gerade wegen dieses Superlativs ziemlich heruntergekommen daherkommt. Wenige Wochen nach dem Gaza-Krieg fielen uns am Bussteig nach Jerusalem sofort die Hinweisschilder mit dem Aufschrift Shelter auf, die auf die Schutzräume für den Fall eines Raketenangriffs aufmerksam machen. Mit etwas mulmigem Gefühl ging es daher nach Jerusalem, das wir nach knapp anderthalb Stunden Busfahrt erreichten.

Jerusalem Reisebericht
Einladend, oder? Der Busbahnhof von Tel Aviv, hier am Steig nach Jerusalem, war einmal der größte der Welt.
Jerusalem Busbahnhof
Sowohl im Busbahnhof in Tel Aviv als auch in Jerusalem kannst du übrigens vergleichsweise günstige Leckereien kaufen.

Straßenbahnlinie L1: Hoffnung und Terror

Von den Soldaten samt Maschinengewehren abgesehen, grüßte uns der ↠ Busbahnhof von Jerusalem mit freundlicherem Gesicht – und koscherem McDonalds. Direkt vor dem Gebäude verläuft die bisher einzige Straßenbahnlinie Jerusalems. Die Linie L1 wurde im August 2011 eröffnet und galt als Hoffnungsträgerin für die gespaltene Stadt, wurde aber alsbald auch Ziel von Steinwürfen und Terroranschlägen. Reisende bringt sie vom Busbahnhof direkt ins Zentrum rund um die Yafo Road.

Nachdem wir uns beim Ticketkauf am Automaten ziemlich dumm anstellten, näherte sich unser öffentliches Jerusalem-Taxi mit seinem so typischen Gebimmel („Dong-dong!“). Da die Straßenbahn ziemlich gut gefüllt war, stiegen wir ein paar Stationen früher aus als ursprünglich gedacht, um über die Yafo Road in Richtung Altstadt zu schlendern. Von dort machten wir uns schließlich auf zum ↠ Jaffator, über das wir die Altstadt betraten. Dem 1 THING TO DO für unseren Jerusalem-Reisebericht waren wir in diesem Moment schon sehr nahe. Natürlich ohne es zu ahnen.

Jerusalem Reisebericht
Die Straßenbahnlinie L1 verläuft durch das moderne Jerusalem und bringt dich im Nu vom Hauptbahnhof in die Yafo Road.
Mahane-Yehuda-Markt
Buntes Treiben auf dem Mahane-Yehuda-Markt am Rande der Yafo Road.

Altstadt von Jerusalem: Geschichte überall

Die Altstadt von Jerusalem, umrahmt von einer circa vier Kilometer langen Stadtmauer, trieft schon vom ersten Moment ihres Betretens an vor Historie. Wir möchten wir dich hier aber nicht mit historischen Fakten überfrachten. Dafür empfehlen wir dir ↠ diesen Artikel über die Geschichte Jerusalems aus der FAZ.

In Kürze: Die Altstadt von Jerusalem besteht aus vier Teilen, einem armenischen, muslimischen, jüdischen und christlichen Viertel, die jeweils ihr eigenes Flair versprühen. Während es auf armenischem Terrain angenehm ruhig zugeht, erinnert das ↠ Muslimische Viertel mit seinen Shuks (Märkten), malerischen Gässchen sowie Aberdutzenden Gewürz- und Krimskramsläden an ein Stereotyp von 1.000 und einer Nacht. Im Christlichen und Jüdischen Viertel überwogen für uns dagegen die religiös-touristischen Wallfahrtsorte rund um Grabeskirche und Klagemauer.

Peinlichkeiten zwischen Klagemauer und Tempelberg

1 THING not TO DO an der ↠ Klagemauer: die Geschlechtertrennung verpeilen. Obwohl wir uns vorher ausführlich informierten und uns extra zwei Kippas kauften, gingen wir aus Versehen doch zunächst in Richtung Frauenabteil. Schnell wurden wir freundlich darauf hingewiesen, doch besser auf die andere Seite zu gehen. Merke also: links Männer, rechts Frauen. Dazwischen: nix. Nicht vergessen solltest du nach Verlassen des Bereichs um die “Kotel”, deine Kippa auch wieder abzusetzen. Zumindest, wenn du dich auf den Weg zum ↠ Tempelberg begibst, zu dem der Zugang für Nicht-Muslime stark reglementiert ist.

Das kann eben nur Jerusalem: Die 18 Meter hohe Klagemauer als wichtigste jüdische Pilgerstätte ist gleichzeitig Westwall des Tempelbergs mit Felsendom und Al-Aqsa-Moschee, die nach Mekka und Medina auf Rang drei der bedeutendsten muslimischen Wallfahrtsstätten folgen. Im Gegensatz zu den Gassen des muslimischen Viertels ging es auf dem Tempelberg entsprechend ruhig zu. Die goldene Kuppel des ↠ Felsendoms schwitzte (wie wir) in der heißen Mittagssonne.

Auf der Suche nach der Grabeskirche

Anschließend verbrachten wir wohl gut zwei Stunden damit, die ↠ Grabeskirche zu finden, die sich der Überlieferung nach am Ort der Kreuzigung Jesu befindet. Immerhin können wir dadurch behaupten, an ziemlich jedem Eckchen der Jerusalemer Altstadt gewesen zu sein. Dabei entwickelte sich vor allem das Muslimische Viertel zwischendurch zu einem kleinen Gefängnis, aus dem wir fürchteten, nie mehr herauszufinden.

Es war wie verhext: Jerusalem ist so vollgepackt mit Sehenswürdigkeiten und Historie, dass man das potenzielle 1 THING TO DO schnell übersehen kann. Oder würden wir das Vergnügen doch noch haben? Mit Blick auf die grünen Hänge des (natürlich) heiligen Ölbergs spazierten wir weiter auf der mächtigen Stadtmauer entlang. Und entschieden uns, angesichts der langsam untergehenden Sonne, noch etwas essen zu gehen.

Rooftop-Dinner im Muristan

Im Christlichen Viertel stießen wir hungrig auf das ↠ Panoramic Golden City Restaurant, das am Eingang mit dem kleinen Wörtchen Rooftop lockt. Das Restaurant ist weder schick noch hip und – das eigentlich Schlimme – wird tagsüber von etlichen Reisegruppen besucht. Das wiederum hat den Vorteil, dass es hier in den Abendstunden ruhig zugeht. So ruhig, dass wir schon kurz vor 19 Uhr die einzigen Gäste auf der weitläufigen Dachterrasse des Lokals waren.

Inzwischen hatte sich die Sonne bereits hinter den historischen Fassaden des umliegenden Muristan-Quartiers versteckt. Unser Blick schweifte über die Kuppel der rustikalen Johanneskirche, die Fontäne des Muristan-Brunnens und den Eingang zum griechischen Markt Suq Aftimos, als würden wir über die leergefegte Kulisse eines Historiendramas blicken.

Jerusalem Reisebericht
Blick über das Muristanviertel in der Altstadt von Jerusalem von der Dachterrasse des Panoramic Golden City Restaurants.
Jerusalem Reisebericht
Nach und nach zündeten die Bewohner der Altstadt ihre Lichter an, was die mystische Atmosphäre nur verstärkte.

Über den Dächern von Jerusalem

Langsam begannen sich die Lichter der Stadt um uns herum zu entzünden. Und während wir unsere großzügige orientalische Platte mit Hummus, Falafel, Kebab, Fladenbrot und allerlei gegrilltem Gemüse verzehrten, begann plötzlich auch noch der Muezzin die Altstadt mit seinem Gebetsruf erklingen zu lassen.

Die Stadt, tagsüber voller Trubel und Tagesgästen, war nun wie leer gefegt. Hier und da meinten wir zwischen dem Adhān des Muezzin ein paar vereinzelte Stimmen zu hören. Und doch fühlten wir uns hier oben, als wären wir mit einem Mal allein in der Heiligen Stadt. Ein orientalisches Abendessen im christlichen Viertel von Jerusalem inmitten der MuezzinGesänge: Es ist diese Mischung, die aus diesem Moment unser 1 THING TO DO für Jerusalem formten. Und erleben kannst du sie nur in hier, in der Heiligen Stadt.

In Kürze: Unser 1 THING TO DO für Jerusalem

Was? Abend(!)essen auf der Dachterrasse des Panoramic Golden City Restaurants.
Wo? Im Muristan-Viertel in der Jerusalemer Altstadt zwischen Erlöser- und Johanneskirche.
Wie viel? Je nach Hunger und Durst. Die üppige Platte mit orientalisch-israelischen Spezialitäten gab es jedoch zum vernünftigen Preis.
Warum? Nicht unbedingt, um das Essen zu genießen, sondern um im besten Falle auf einsamer Dachterrasse die Stadt zu überblicken und dabei deren Bedeutung für Judentum, Islam und Christentum über mehrere Sinne zu spüren.

Jerusalem Reisebericht: Sehenswürdigkeiten abseits der Altstadt

Fokussierten wir uns auf unserer ersten Reise nach Jerusalem auf die Altstadt, steuerten wir beim zweiten Mal die Sehenswürdigkeiten außerhalb der Stadtmauern an. Ein Überblick.

Vom Dungtor zum Ölberg

Vom Dungtor kommend, passierten wir am Fuße des ↠ Ölbergs zunächst die imposanten Gräber des Abschalom und Zacharias, zwei imposante Grab- bzw. Denkmäler im Kidrontal östlich des Tempelbergs. In der Nähe des 826 Meter hohen Gipfel angekommen, breitete sich vor unseren Augen jenes Panorama aus, für das Jerusalem weltbekannt ist. Die goldene Kuppel des Felsendoms funkelte in der Wintersonne. Zu unseren Füßen reihten sich die Gräber des großen jüdischen Friedhofs aneinander, die teilweise aus biblischen Zeiten stammen. Selbst die Kuppel der Grabeskirche meinten wir von hier oben zu erspähen. Na wenigstens aus der Ferne geht das schnell.

Jerusalem Tipps

Mahane-Yehuda-Markt

Vom Ölberg aus liefen wir zurück in Richtung Yafo Road und weiter zum ↠ Mahane-Yehuda-Markt, der sich gerade in den Abendstunden zu einem beliebten Treffpunkt für Reisende wie Einheimische entwickelt hat. Zwischen unzähligen Gewürz-, Obst-, Gemüse-, Nuss-, Backwaren- und Krimskramsständen laden kleine Imbisse und Restaurants zum Verweilen inmitten des Trubels ein. Wir entschieden uns für ein libanesisches Lokal – reichlich touristisch – und versuchten uns an einer riesigen Portion ↠ Fattousch, einem Salat aus Gurke, Tomaten, knackigem Pitabrot und jeder Menge Zitronensaft.

Jerusalem Tipps

Herzlberg

Mit der Straßenbahn ging es weiter zum ↠ Herzlberg (Mount Herzl). Auf diesem befindet sich der weitläufige Nationalfriedhof Israels mit dem Grab Thedor Herzls, dem Begründer des modernen Zionismus. Wir hatten uns zuvor kaum über die Bedeutung des Herzlbergs informiert und verstanden vor Ort erst wirklich, dass es sich hierbei nicht um eine klassische touristische Sehenswürdigkeit handelt, sondern vielmehr um eine Stätte des nationalen Gedenkens, Trauerns und Erinnerns.

Jerusalem Tipps

Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem

Die nächsten Stunden widmeten wir ↠ Yad Vashem, der bedeutendsten Holocaust-Gedenkstätte weltweit, sowie dem dortigen Museum zur Geschichte des Holocaust. Das Museum stellt anhand etlicher authentischer Fotografien, Dokumente und Exponate chronologisch und in bedrückend detailliertem Maße die Geschichte der Shoa dar. Am Ende des langen Ganges blicken Besuchende auf die grünen Hügel vor Jerusalem. Wohl kein Moment führt deutlicher vor Augen, weshalb dieses Land – Israel – zurecht existiert.

Jerusalem Tipps

Ultaorthodoxes Viertel Mea Schearim

Ein besonderes Beispiel jüdischen Lebens in Jerusalem ist ↠ Mea Schearim, einer der ältesten Stadtteile außerhalb der Altstadt. Seine Bewohner:innen – überwiegend Ultaorthodoxe – halten sich an die traditionelle Auslegung der Tora. Dies äußert sich unter anderem darin, dass im Vergleich zum weltlichen Tel Aviv die Schabbat-Ruhe besonders strikt eingehalten wird. Vor Ort wurden wir vom schwarz-weißen Treiben beinahe verschluckt. Da es sich auch hier nicht um eine klassische Sehenswürdigkeit handelt, fühlten wir uns als Reisende nicht sonderlich wohl. Wir empfehlen, bei deinem Besuch auch durch die Wahl der passenden Kleidung möglichst respektvoll aufzutreten.

Jerusalem Reisebericht Mea Schearim

Von Jerusalem empfiehlt sich übrigens auch ein Abstecher zum Toten Meer, zum Beispiel nach ↠ Ein Bokek. Weitere Reisegeschichten aus Israel findest du in unserem im Artikel über den ↠ Sonnenaufgang in Masada sowie im Beitrag über ↠ Haifa und die Gärten der Bahai.

Reisen um zu reisen!
John & Marc

Jerusalem Reisebericht

Veröffentlicht oder inhaltlich überarbeitet am:


14 Antworten zu “Jerusalem Reisebericht: Abendmahl mit dem Muezzin”

  1. Hi,
    ich habe für April 2016 eine Israel-Reise geplant und, genau wie ihr, einen Tag in Jerusalem. Ich möchte ebenfalls die Atmosphäre in dieser für drei Weltreligionen heiligen Stadt erleben. Eure Berichte und Fotos sind superspannend. Leider spricht man seit ein paar Wochen aufgrund der vermehrten gegenseitigen Angriffe von Israelis und Palästinensern schon von einer dritten Intifada. – Nein, bitte nicht! – Undzwar gönne ich allen Beteiligten Frieden, wie auch immer er zu erzielen sein wird. Und mir wollte ich diese Reise gönnen…

    • Wir haben vor einem Jahr ja auch gezögert, ob wir nach Israel sollen, oder nicht. Um ehrlich zu sein, würden wir in der aktuellen Situation nicht nach Jerusalem fahren. Bei uns war das Problem der Raketenbeschuss aus Gaza, aber die Wahrscheinlichkeit, dass eine Rakete in Tel Aviv oder Jerusalem einschlägt, geht gegen null. Die Israelis wissen mittlerweile auch damit umzugehen.

      Bei den aktuellen Attacken gibt es dagegen ein Klima der Angst und man könnte schnell zumindest Zeuge des Konflikts werden. Jerusalem ist sicherlich zurzeit nicht die Stadt, die es normalerweise sein könnte.

      Also hoffen wir, dass es da unten bald wieder ruhiger wird. Und was Jerusalem betrifft: So alt wie die Stadt ist, läuft sie sicher nicht weg. 🙂

  2. Toller, inspirierender Artikel zu eurem 1 thing to do in Jerusalem. Da kommt man richtig ins Träumen. Schade, dass das doch ein ziemlich loderndes Pflaster ist. So gerne ich es einmal selbst besuchen würde, aber mir wäre das zu riskant. Umso schöner ist es dann, von euren Erlebnissen dort zu lesen.

    • Danke dir! An sich hatten wir in Israel nie ein Gefühl der Unsicherheit und wahrscheinlich ist man auch nie in Gefahr, wenn man sich an gewisse Regeln hält. Aber natürlich ist es auch immer eine Frage der Abwägung…

  3. sehr schöner und spannender artikel. jerusalem ist sicher eine unglaublich interessante stadt, mir geht es in der gegend dennoch zu heiß her, um es selbst zu besuchen. tolle eindrücke, danke fürs teilen!

    • Danke dir! Zwecks Klima sei gesagt, dass wir uns nach Sonnenuntergang ziemlich geärgert haben, keine Jacke dabei zu haben. Es wurde merklich kühler und der Wind ließ uns zittern, das war Ende September. Jerusalem liegt eben in den Bergen, das sollte man nicht unterschätzen. Generell hat Israel gemessen an seiner Größe ein sehr vielfältiges Klima. Zur selben Zeit waren in Eilat bestimmt immer noch 35 bis 40 Grad.

      Liebe Grüße!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert