Der Durmitor-Nationalpark ist Montenegros Wanderparadies. Unsere erste Wanderung im Durmitor gleicht dabei fast schon einem Märchen: Ein greiser Schäfer warnte uns auf dem Weg von Žabljak zu einer Eishöhle auf 2.177 Metern Höhe davor, weiterzuwandern. Wovon er uns wohl abhalten wollte? Geschrieben von Marc.
Eine seltsame Begegnung im Durmitor-Nationalpark
Nach anderthalbstündiger Wanderung haben wir inzwischen gut 1.750 Höhenmeter erreicht, rund 400 weitere sollen folgen. Der Himmel über dem Durmitor-Nationalpark in Montenegro zeigt sich wechselhaft. Wenn die Sonne kurz lacht, kommen wir ins sofort Schwitzen. Doch in der Ferne hören wir Donner grollen.
Umrundet von grauen Klippen steht in einem grünen Tal eine verwunschene Holzhütte mit roten Ziegeln. Zwei Ausflügler:innen im Durmitor-Nationalpark decken sich bei einem in die Jahre gekommen, weißbärtigen Mann mit frischem Trinkwasser ein und schlürfen eine heiße Suppe. So richtig gemütlich kommt uns die Idylle aber nicht vor. Es mag sein, dass die tiefen Falten des Schäfers einfach nicht zulassen, dass Freundlichkeit in seinem Gesicht aufkommt. Doch unser Gefühl bewahrheitet sich: Er hat eine Warnung für uns.
Wanderung von Žabljak zur Eishöhle
Wie wir von zwei anderen Reisenden erfahren, riet uns der rüstige Bergbewohner soeben zur sofortigen Umkehr. Doch nicht etwa wegen der dunklen Wolken über dem Durmitor, sondern weil wir angeblich nie wieder zurückkehren würden. Er habe noch niemanden gesehen, der zur Eishöhle hoch oben im Durmitor-Nationalpark aufgebrochen war und danach wieder an seiner Hütte vorbeikam.
“Märchengeschichten”, denken wir uns schmunzelnd und machen uns über den garstigen Greis lustig. “Was soll schon passieren?” – Weit in der Ferne lenkt ein erster Blitz unsere Aufmerksamkeit auf sich. Doch die Wolken scheinen sich über unseren Köpfen noch aufzulösen. Wir sind guten Mutes, die Eishöhle zu erreichen, bevor das Gewitter sich über unseren Köpfen ausschüttet. Und wandern weiter.
Durmitor-Nationalpark: Crno jezero
Ein erster Höhepunkt wartete gleich zu Beginn unserer ersten Wanderung im Durmitor-Nationalpark. Der ↠ Crno jezero, zu Deutsch “Schwarzer See”, fehlt in kaum einem Artikel über die herrlichen Landschaften in Montenegro. Das Postkartenmotiv mit bunten Bötchen ist auch für wenig erfahrene Wanderer:innen ab ↠ Žabljak schnell erreicht. Für Lauffaule tut es sogar das Auto. Anstrengender ist da schon die nächste Etappe in Richtung Schäfers Hütte: Durch einen Märchenwald geht es recht steil bergauf.
Nach dem gehobenen Zeigefinger des alten Greises schlängelt sich der Wanderweg in Richtung Eishöhle an den Hängen des Balkanmassivs entlang. Zaghaft gewinnen wir an Höhe. Auf schmalem Pfad im Durmitor-Nationalpark wird nun jeder Leichtsinn sofort damit bestraft, dass wir bei nur einem falschen Schritt ins Taumeln geraten. Doch was dran an der Warnung des Schäfers? In unseren Köpfen jedenfalls hallt sie noch immer etwas nach.
Die letzten Meter zur Eishöhle im Durmitor-Gebirge
Nachdem wir eine gefühlte Ewigkeit entlang der Hänge im Durmitor-Nationalpark wanderten, bedarf das letzte Stück hinauf zur Eishöhle deutlich mehr Krafteinsatz. Das Ziel vor Augen, ist diese letzte Anstrengung normalerweise ein Klacks. Doch inzwischen hat es sich eingenieselt. Immer mehr Wolken schieben sich über die Gipfel und breiten sich an den Hängen aus.
Das Donnern in der Ferne wird lauter, der Boden rutschiger. Zumal an den Felsvorsprüngen, wo für kurze Zeit sogar Kletterkünste gefragt sind. Doch in der Gefahr macht sich immer dann ein Gefühl der Sicherheit breit, wenn man jeden Schritt und jeden Handgriff genau überlegt. Wir wagen nur dann den nächsten Schritt, wenn jegliches Gefühl der Unsicherheit verflogen ist. Dem grummelnden Schäfer im Durmitor schlagen wir so ein Schnippchen.
Eine Eishöhle im Spätsommer
Im Spätsommer in einer Eishöhle im Durmitor-Nationalpark zu stehen, das klang in unseren Köpfen nach einem außergewöhnlichen Erlebnis. An Ort und Stelle angekommen hält sich unsere Faszination jedoch in Grenzen. An einem Nordhang öffnet sich eine Höhle, in der es in der Tat eisig zugeht. Doch vergleichbar mit dem Gefühl, einen Gipfel erklommen zu haben und die Aussicht über die Umgebung zu genießen, ist dieser Anblick nicht.
Stattdessen folgt die nächste Warnung, diesmal von zwei anderen Wanderer:innen. Wir sollten auf uns aufpassen, denn wo Eis ist, da ist es rutschig. In der Tat kraxelt da unten gerade ein Pärchen herum und kommt Mal ums Mal in Rutschen. Wir warten, bis die beiden wieder ans Tageslicht kommen und wagen uns selbst hinab. Schritt für Schritt. Mit gebotener Vorsicht.
Der eine falsche Schritt
Rumms! Und es ist passiert. Auf einer besonders glatten Stelle setze ich den einen falschen Schritt und falle auf meinen Allerwertesten. “Are you okay?”, ruft jemand von oben. Ich gebe Entwarnung und habe doch Respekt davor, weiter in die Eishöhle vorzupreschen. Auf den nächsten Metern wartet nur noch Eisboden und es erscheint fast unmöglich, von dort aus ohne Eishaken wieder in sichere Gefilde zu gelangen.
Rückzug. Wir kraxeln zurück nach oben. Über allem schwebt die Warnung des alten Schäfers. Waren wir doch zu leichtsinnig? Immerhin hat sich das Gewitter entschlossen, die Gipfel des Durmitor-Nationalparks nicht zu überqueren. Der Rückweg bleibt trocken. Wir genießen die Panoramen im montenegrinischen Hochgebirge und verabreden uns kurzerhand mit Robert, den wir am Morgen im Nachtbus aus ↠ Belgrad kennengelernt hatten, zum gemeinsamen Abendessen.
Durmitor-Nationalpark: Zurück in Žabljak
In der ↠ Krčma Nostalgija, einem urigen Restaurant mit massivem Holzmobiliar und rot-weiß karierten Tischdecken, lassen wir uns erschöpft nieder. Robert berichtet bei unserer neuerlichen Zusammenkunft davon, dass ein paar Leute aus seinem Hostel dem alten Greis ebenfalls beim Wandern im Durmitor-Nationalpark seiner Hütte begegneten. Auch ihnen begegnete er mit finsterer Miene: “Ihr werdet niemals zurückkehren!”
Bei einem großen Glas Bier diskutieren wir, was der gute Herr wohl im Schilde führt. Ist er schon ein wenig senil? Hat er Spaß daran, den elenden Backpacker:innen einen Schrecken einzujagen? Am Ende einigen wir uns darauf, dass er einfach nicht weiß, dass die Wanderung zur Eishöhle ein Rundweg ist und der Rückweg folglich gar nicht an seiner Hütte vorbeiführt. Wir feixen und verabreden uns sogleich zur nächsten Wanderung im Durmitor-Nationalpark. Morgen besteigen wir den höchsten Bergs Montenegros: den Bobotov Kuk.
Hinweise zum Wandern im Durmitor-Nationalpark
Wanderstrecke Žabljak – Eishöhle
- Die ungefähre Route von Žabljak zu besagter Eishöhle im Durmitor-Nationalpark kannst du hier nachverfolgen. Wir wählten allerdings den Weg, der – auf dem Hinweg – zunächst links vom Crno jezero vorbei und wenig später vom Ufer aus nach oben führt.
- Insgesamt gilt es knapp 800 Höhenmeter zu überwinden. Von 1.400 Metern wanderst du hinauf auf beinahe 2.200 Meter Höhe. Die Strecke ist circa 18 Kilometer lang und zum Teil als Rundweg absolvierbar, allerdings erst nach dem Crno jezero. Wir waren ungefähr fünf Stunden unterwegs.
- Insbesondere der letzte Kilometer der Wanderung, auf dem du knapp 400 Höhenmeter zurücklegst, ist nicht zu unterschätzen. Wie beschrieben, gilt es hier an einigen wenigen Stellen auch dein Klettergeschick unter Beweis zu stellen. Hierzu ist jedoch keine besondere Ausrüstung nötig.
Žabljak und Durmitor-Nationalpark: Allgemeine Informationen
- Wandern im Durmitor-Nationalpark ist kostenpflichtig. Ein Tagesticket kostet drei Euro (Stand: Juli 2017), zu zahlen auf dem Weg zum Crno jezero.
- Žabljak ist nicht nur ein guter Ausgangspunkt für Wanderungen im Durmitor-Nationalpark, sondern verfügt auch über genügend Unterkünfte, Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten. Mit dem Bus erreichst du Žabljak zum Beispiel ab ↠ Kotor (vier Stunden) und Podgorica (zweieinhalb Stunden). Es bestehen außerdem Busverbindungen ab Belgrad (acht Stunden). Fahrpläne findest du unter anderem hier.
- Ein eigenes Auto ist für Wanderungen im Durmitor-Nationalpark von Vorteil: Viele Trailheads sind mit dem Bus gar nicht oder nur beschwerlich erreichbar, sodass du weite Strecken laufen musst – zusätzlich zur eigentlichen Wanderung. Den Bobotov Kuk etwa konnten wir nur erwandern, da wir vor Ort andere Reisende mit Mietwagen kennenlernten.
- Ganz in der Nähe von Žabljak befindet sich mit der ↠ Tara-Schlucht der tiefste Canyon Europas. Erkundige dich am besten bei deiner Unterkunft oder einem der Tourenveranstalter vor Ort über Rafting-Touren und weitere Outdoor-Erlebnisse.
- Zum ersten Mal auf großer Wanderung? Dann empfehlen wir an dieser Stelle unsere ↠ Wander-Tipps für Anfänger – auch damit du besser einschätzen kannst, auf welchem Niveau wir wandern.
Durmitor-Nationalpark: Wanderungen zum Weiterlesen
- Über unser Abenteuer rund um den Bobotov Kuk – mit 2.522 Metern höchster Gipfel im kleinen Adriastaat – liest du mehr in unserem zweiten Artikel zum ↠ Wandern in Montenegro.
- Auf ↠ Von Ort zu Ort reisen erzählen Susanne und Patrick von ihrer Wanderung von Žabljak zum Zminjn Jezero sowie ihrer Fahrt mit dem Sessellift am 2.313 Meter hohen Zavin Kuk ganz in der Nähe.
- Oliver berichtet auf ↠ wasgesternwar.com von einer Wanderung um den Crno jezero und hat noch vier weitere Tipps für deine Reise in den Durmitor-Nationalpark parat.
- Von Žabljak aus kannst du auch zu einem ↠ Aussichtspunkt auf die Tara-Schlucht wandern. Weitere Inspiration für Wanderungen im Durmitor-Nationalpark findest du auf Englisch auch ↠ auf dieser Seite.
Nach unseren Wanderungen im Durmitor-Gebirge reisten wir weiter nach ↠ Podgorica und zum ↠ Skutarisee. Weitere Ideen für deinen Trip nach Südosteuropa findest du auf der Übersichtsseite zu unseren ↠ Balkan-Reisen.
Reisen um zu reisen!
John & Marc
5 Antworten zu “Durmitor-Nationalpark: Wandern auf eigene Gefahr”
Ein sehr schöner Beitrag 🙂
Ich möchte gerne einmal durch Montenegro Bagpacken.
Hattet ihr Probleme mit eurer Trinkwasserversorgung?
Ich wollte nur mal sagen, dass eure Schreibweise ein Erguss ist. Weiter so!
Das geht runter wie Öl. Vielen lieben Dank! 🙂
Ein sehr spannender Beitrag, den ich super gerne gelesen habe. Und die Bilder laden natürlich auch zum Träumen ein. 🙂
Herzlich,
Anna
Danke dir und liebe Grüße! 🙂