Alaköl Kirgisistan

Alaköl: Kirgisistans Meisterstück in Türkisblau

Der Alaköl ist eines jener Ziele, bei denen ich vor meiner Reise nach Kirgisistan nicht sicher sein konnte, ihn mit eigenen Augen wirklich sehen können. Zu unübersichtlich die Quellenlage, ob der 3.532 Meter hoch gelegene Bergsee im Rahmen einer Tageswanderung erreichbar ist. Von Altyn Araschan aus, einer Art kirgisischem Luftkurort im Nirgendwo, gelang mir das Meisterstück. Geschrieben von Marc.

Wanderung zum Alaköl: Aufbruch in Altyn Araschan

Heute muss alles stimmen. Zu vage waren mal wieder die Angaben darüber, ob ich das Ziel meiner Wanderung, den Bergsee Alaköl auf 3.532 Metern, innerhalb eines Tages überhaupt erreichen kann. Knapp 1.500 Meter gilt es zu überwinden. Keine Neuheit für mich. In ↠ Georgien brachten wir einmal gar 1.800 Meter an einem Tag hinter uns. Doch dieses Mal würde ich erstmals erfahren, wie es ist, nahe der 4.000er-Marke zu wandern. Sie vielleicht sogar zu überschreiten.

Die heutige Wanderung ab Altyn Araschan, einem abgelegenen Weiler mit Jurtencamps, einfachen Guest Houses und einigen heißen Quellen, soll mir diesen neuen Superlativ bescheren. Nichts möchte ich dabei dem Zufall überlassen. Ich bin der erste im urigen Schlafsaal in Elza’s Guest House, der um sechs Uhr morgens gen Alaköl aufbricht. Ich will unbedingt rechtzeitig am Ziel ankommen. Will genügend Puffer haben, um mich ausruhen zu können, sollte mir die Höhenluft Kräfte kosten.

Altyn Araschan
Altyn Araschan ist dank seiner heißen Quellen eine Art Luftkurort auf Kirgisisch.
Altyn Araschan
Neben einfachen Gasthäusern kannst du in Altyn Araschan auch in einem der Jurtencamps übernachten.

Morgens am Araschan

Das Wetter ist auf meiner Seite. Noch steht die Sonne so tief, dass ihr warmes Licht von den Hängen des Tian Shan verschluckt wird. Früher oder später wird sie den dunklen Schatten vertreiben. Verfluchen werde ich sie, weil sie mir noch mehr Schweißperlen vom Stirn in die Auge rollen lassen wird als ohnehin schon.

Zehn Kilometer lang ist die Wanderstrecke zwischen Altyn Araschan und Alaköl. Pro Kilometer gilt es knapp 150 Höhenmeter zu überwinden. Das Höhenprofil auf ↠ MAPS.ME kennt kein Pardon: Permanent werde ich an Höhe gewinnen, ohne nennenswerte Verschnaufpause. Das Gute: Vom Weg abkommen werde ich heute wohl kaum. Es scheint nur eine einzige Strecke zu geben zum Alaköl. Meine Zuversicht wächst. Heute wird alles stimmen.

Altyn Araschan Kirgisistan
Abendstimmung am Araschan, der das nach ihm benannte Tal durchfließt.
Elza's Guest House
Vor meiner Wanderung zum Alaköl übernachtete ich in einem Schlafsaal in Elza’s Guest House.

Von Altyn Araschan zum Alaköl

Der wilde Araschan, dem Altyn Araschan seinen Namen verdankt, durchströmt das schmale Tal, das im morgendlichen Schatten der steil aufragenden Hänge besonders saftig wirkt. Ich wandere links von ihm in Richtung Süden, wo laut Offline-Karte eine Brücke zum eigentlichen Start der Wanderstrecke auf die rechte Uferseite führt.

Die meisten Wanderer:innen in Elza’s Guest House haben den Alaköl schon am Vortag aus Richtung Karakol kommend erwandert. Eine Tageswanderung ab Altyn Araschan scheint die Ausnahme. Und so sind es lediglich ein paar Kühe, Pferde und Schafe, denen ich auf dem Weg gedanklich einen guten Morgen wünsche. Umgeben von einer Gebirgslandschaft, die an die Alpen erinnert, wie sie vor ein paar 100 Jahren ausgesehen haben könnten: ungezähmt und fern jeder Zivilisation.

Altyn Araschan Kirgisistan
Im Frühtau zu Berge: Morgenstimmung bei Altyn Araschan.
Altyn Araschan Kirgisistan
Auf beiden Uferseiten führen – mal mehr, mal weniger sichtbare – Wanderwege tiefer hinein ins Tal des Araschan.

Fehlstart

Heute sollte alles stimmen. Das war mein Mantra. Doch keine Stunde nach Beginn der Wanderung von Altyn Araschan zum Alaköl beginnen die Zweifel sekündlich zu wachsen. Laut Navigation hätte ich die Brücke zum anderen Ufer doch schon längst erreicht haben müssen. Fehlanzeige. Ich muss umkehren. Der frühe Vogel fängt heute rein gar nichts. Das Spaßige an der Sache: Bereits in Altyan Araschan gibt es zwei Brücken hinüber. Eine davon direkt vor Elza’s Guest House. Natürlich. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht.

Wie immer möchte ich das Beste aus der misslichen Situation machen und wandere etwas versetzt in Ufernähe zurück nach Norden. Bis ich abermals in der Falle sitze. Der Boden wird immer nasser. Ich versuche so sanft wie möglich aufzutreten. Dennoch sinke ich immer tiefer ein. Urplötzlich setze ich den einen falschen Schritt. Und stecke mit beiden Beinen knietief im Schlamm fest. Ich ziehe Schuhe und Hose aus, wasche den Dreck im Araschan aus. Abermals wandere ich zurück, kehre schließlich auf altbekannter Strecke zurück nach Altyn Araschan. Nein, heute scheint aber auch gar nichts zu stimmen!

Altyn Araschan Kirgisistan
Die Gipfel am Ursprung des Araschan sind zum Teil über 5.000 Meter hoch.
Altyn Araschan Alaköl
Blick zurück auf Altyn Araschan und Elza’s Guest House, benannt nach der Tochter der Eigentümer.

Wanderung zum Alaköl: Auf ein Neues

Alles auf Anfang. So richtig früh startet meine Wanderung zum Alaköl nun also doch nicht mehr. Es ist inzwischen halb acht, doch noch immer hat sich gerade mal ein halbes Dutzend anderer Wanderer:innen aufgemacht, den Bergsee mit seinem giftig wirkenden, türkisfarbenen Wasser mit eigenen Augen zu sehen. Um Zeit gut zu machen, bin ich zunächst etwas schneller unterwegs, wandere hoch über der rechten Uferseite des Araschan zur Gabelung gen Alaköl. Noch kann ich das Tempo gehen. Noch.

Als ich nach abermals einer knappen Stunde nach Westen abbiege, wird Kel-Dike mein neuer Begleiter, ein nicht minder wilder Zufluss des Araschan, der sich aus den noch im August stattlichen Schneefeldern am Alaköl speist. So steil wie er neben mir ins Tal hinabsaust, geht es für mich an seiner Seite bergauf. Es ist der erste krasse Anstieg dieser Wanderung, der mich auf kürzester Distanz zu zwei Pausen zwingt. Doch er ist ein Klacks gemessen an dem, was noch vor mir liegt.

Die Höllenwand zum Alaköl

Beim Abendessen tags zuvor bereits berichteten mir ausnahmslos alle von jener besonders brenzligen Stelle, die sie kurz nach – in meinem Falle vor – dem mittlerweile fast schon ikonischen Bergsee in Kirgisistan bewältigen mussten. Auf allen Vieren hätten sich manche fortbewegt, andere seien auf dem losen Geröll Mal ums Mal ausgerutscht. Keine andere Wanderung bin ich folglich bisher mit derart viel Respekt angegangen, wie die heutige gen Alaköl.

Ich kann erst nicht glauben, dass diese steile Wand, auf die ich knapp drei Stunden zuwandere, wirklich jene sein soll, die hinauf zum Alaköl führt. Als ich den Hang zum ersten Mal sehe, ist dort an einen Wanderweg überhaupt nicht zu denken. Doch auch wenn ich auf der Strecke Höhenmeter für Höhenmeter gewinne, wird mir Meter für Meter klarer, dass noch ein gewaltiges Stück fehlt, um die 4.000 auch nur annähernd zu erreichen. Doch, es muss genau diese Höllenwand sein, die mich herausfordert.

Was ich am Wandern hasse

Je näher ich ihr komme, desto klarer wird das Bild: Im Schneckentempo wagen sich andere Reisende den steilen Hang hinab. Ihr Vorteil: Sie besuchen den Alaköl im Rahmen einer Rundwanderung, müssen lediglich den Abstieg hinter sich bringen. Ich jedoch muss einmal steil bergauf, um den 2,3 Kilometer langen Bergsee zu sehen – nur um kurz darauf wieder steil bergab zu wandern.

Ich genehmige mir eine letzte Rast und beobachte, wie die anderen Wanderer:innen trotz aller Vorsicht immer wieder kleine Lawinen aus Geröll in die Tiefe stoßen. Nichts hasse ich beim Wandern mehr als lockeren Untergrund. Ich komme ins Grübeln, ob es das Wagnis wert sein wird. Doch natürlich will ich ihn sehen, den Alaköl. Will vielleicht sogar die 4.000 Meter knacken. Zum ersten Mal. Ich will, ich werde werde mich durchbeißen.

Altyn Araschan Alaköl
Zu Fuße des Anstiegs gen Alaköl befindet sich eine Art Basislager. An Ort und Stelle nimmt dich ein Ranger in Empfang, bei dem du eine kleine Nationalparkgebühr entrichten musst.
Altyn Araschan Alaköl
Auf bereits mehr als 3.500 Metern Höhe zeigt die Landschaft ein immer unwirklicheres Gesicht.

Auf den letzten Metern zum Alaköl

Ich passe den Moment ab, als der Hang von vergleichsweise wenigen anderen besetzt ist. Sofort geht es steil bergauf. Klare Ansage. Ohne Vorsicht, ohne Respekt geht hier gar nichts. Ich überlege vor jedem Schritt genau, wo ich meinen Wanderschuh absetze, um nicht diese eine Stelle zu erwischen, die noch etwas lockerer ist als der Rest.

Zugleich bemerke ich, dass dieser Wanderweg, der den Namen nicht verdient, in laufender Bewegung ist: Mit beinahe jedem Schritt sackt das Geröll ein paar Zentimeter nach unten. Richtig ätzend wird es bei Gegenverkehr. Es ist kein Leichtes, hier sekundenlang in derselben Position zu verharren, um zu warten, bis die anderen auf schmalster Spur an mir vorbei geschlittert sind. Trotz Körperstarre rutsche ich so immer wieder ein kleines Stück nach unten. Den Abgrund im Blick.

Altyn Araschan Alaköl
Blick nach unten: Die kleinen Punkte etwa in der Mitte des Bildes sind andere Wanderer:innen.
Altyn Araschan Alaköl
Fast geschafft! Auf knapp 4.000 Metern Höhe zeigen sich immer mehr schneebedeckte Gipfel des Tian Shan.

Wanderglück am Alaköl

Eine halbe Stunde vergeht mit den immer gleichen Situationen, die die immer gleichen Gefahren bergen. Lerneffekt? Vergiss es. Es dauert, bis sich dieses Monster geschlagen gibt. Bis schließlich nur noch ein paar Meter Geröll vor mir liegen. Bis sich das matte Türkis des Alaköl in meinen blaugrauen Augen spiegelt. Ich den 4.000 Metern so nahe bin.

Ich bin glücklich. Glücklich darüber, dass mir die Höhenluft auch auf dieser Wanderung in Kirgisistan rein gar nichts ausmacht. Vor allem aber darüber, dass ich auch diese Herausforderung, die mir Kirgisistan stellte, die ich mir selbst stellte, überstanden habe. Am Ende fehlen mir keine 50 Meter bis zu jener Schallmauer, die ich ursprünglich übertreffen wollte. Doch was ist es schon wert, irgendeine willkürliche Zahl zu überflügeln, wenn ich doch gleichzeitig etwas ganz anderes überwinden konnte. Die eigenen Grenzen. Schon wieder. Und dann stimmt einfach alles.

Altyn Araschan Alaköl
Entdeckt wurde der Alaköl erst im Jahre 1811 von einem russischen Bergsteiger.
Altyn Araschan Alaköl
Aussicht auf knapp 4.000 Metern Höhe: Der Wanderweg zum Alaköl verläuft durch diese Hochebene, die gen Bildmitte vom Araschan-Tal begrenzt wird.

In Kürze: Mein 1 THING TO DO für Altyn Araschan

Was? Eine Wanderung zum Bergsee Alaköl zu unternehmen.
Wo? Der Alaköl liegt etwa 25 Kilometer südöstlich von Karakol und ist auch von dort aus, im Rahmen ein Mehrtageswanderung, erreichbar – viele übernachten im Camp am Ufer. Die Wanderstrecke ab Altyn Araschan beträgt nur zehn Kilometer. Für Hin- und Rückweg benötigte ich circa acht Stunden (fünf Stunden hin, drei Stunden zurück nach Altyn Araschan). Die Route ist auf MAPS.ME gut nachzuvollziehen – der Fehler mit der vermeintlichen Brücke ist inzwischen behoben.
Wie viel? Du benötigst in jedem Falle eine Übernachtung in Altyn Araschan. Ich kann ↠ Elza’s Guest House bedingungslos empfehlen, da du hier flexibel Frühstück, Mittag- und Abendessen dazu buchen kannst und es obendrein einen Minishop mit Snacks und kühlen Getränken sowie eine hauseigene hot spring gibt. Für das volle Programm kannst du umgerechnet circa 20 Euro pro Person einplanen. Tipp: So früh wie möglich anreisen, um auch wirklich ein Bett zu erhaschen. Dazu kommt ggfs. der Transfer von/nach Karakol (circa 40 Euro pro Fahrt, geteilt durch die Anzahl der Mitfahrenden).
Wieso? Um jenes Glücksgefühl zu verspüren, wenn du nach größter Anstrengung das Türkisblau des Alaköl zum ersten Mal vor dir siehst.

Meine Wanderung nach Altyn Araschan sowie zum Alaköl ist auch Teil des Videos zu meiner Reise nach Kirgisistan:

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Altyn Araschan: Praktische Informationen

An- und Abreise nach Altyn Araschan

  • Anreise: Ich bin nach Altyn Araschan gewandert, wobei ich die an Höhepunkten arme Strecke nur all jenen empfehlen kann, die wirklich gerne zu Fuß unterwegs sind (circa 15 Kilometer, fünf Stunden). Vorab gilt es zunächst von Karakol in die Nachbarstadt Ak-Suu zu gelangen (Marschrutka 350 – Abfahrt zum Beispiel im “Zentrum” von Karakol, Bushaltestelle in der Toktogula, nahe ZUM). Beim Einsteigen deinem Fahrer unbedingt Bescheid geben, dass du weiter nach Altyn Araschan möchtest, damit er dich an der richtigen Stelle aussteigen lässt.
  • Abreise: Solltest du den Alaköl wie ich im Rahmen einer Tageswanderung erwandern und nach Rückkehr nach Altyn Araschan direkt nach Ak-Suu bzw. Karakol zurückreisen wollen, gibt es ein Problem. In meinem Falle waren die meisten Reisenden längst abgereist, dementsprechend gab es keine spontane Rückfahrtmöglichkeit mehr. Plane also besser noch eine Übernachtung in Altyn Araschan ein, kümmere dich frühzeitig um die Organisation der Rückreise oder wandere (wie ich) zurück nach Ak-Suu. Bis die Füße wirklich schmerzen.
  • Im 4WD nach Altyan Araschan: Die Straße nach Altyn Araschan ist keine Straße, nicht mal eine Piste. Manche bezeichnen sie gar als schlechteste Straße der Welt. Davon gibt es zwar bekanntlich einige, doch der unrühmliche Titel verschafft einen richtigen Eindruck. Fahrzeit gute zwei Stunden. Tempo im einstelligen Stundenkilometerbereich. Den Transfer kannst du vor Ort über deine Unterkunft arrangieren.

Die heißen Quellen von Altyn Araschan

  • In meinem Falle waren die heißen Quellen im Freien, die du auf manch anderem Reiseblog siehst, ausgetrocknet. Zwei von ihnen erreichst du am Ortseingang von Altyn Araschan (von Ak-Suu kommend), in dem du dich rechts hältst und am Ufer des Araschan ein paar Hundert Meter zurück nach Norden läufst (ebenfalls auf MAPS.ME eingezeichnet). Vielversprechender sind die überdachten, Whirlpool-artigen hot springs der einzelnen Gasthäuser.

Da die Wanderung von Altyn Araschan zum Alaköl zweifelsohne zu den bislang anspruchsvollsten auf 1 THING TO DO gehört, verweisen wir an dieser Stelle gerne auf unsere ↠ Wander-Tipps für Anfänger. So kannst du besser einschätzen, ob die Strecke für dich machbar ist. Weitere Inspiration für deinen Trip nach Zentralasien findest du im Überblicksartikel zu meiner ↠ Kirgisistan-Reise.

Reisen um zu reisen!
John & Marc

Kirgisistan Alaköl

Veröffentlicht oder inhaltlich überarbeitet am:


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